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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied
Autoren: Terry Pratchett
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gerettet werden mussten.
    Der Mantel ihres Vaters landete in den hungrigen Flammen, glühte für einen Moment auf und zerfiel dann zu grauer Asche. Die anderen Männer standen bereit und packten Tiffanys Vater, als er dem Mantel hinterher springen wollte. Sie zogen ihn zurück, und er trat um sich und schrie.
    Die Pflastersteine waren wie Butter geschmolzen. Sie zischten ein letztes Mal und erstarrten dann.
    Das Feuer ging aus.
    Tiffany Weh hob den Blick und sah in die Augen des Winterschmieds.
    Und oben auf dem Dach des Karrenschuppens sagte eine leise Stimme, die Kleiner Gefährlicher Stachel gehörte: »Oh, Potzblitz!«
    All dies ist noch nicht geschehen. Vielleicht geschieht es überhaupt nicht. Die Zukunft ist immer ein bisschen ungewiss. Selbst kleine Dinge, zum Beispiel eine Schneeflocke oder der Umstand, dass jemand den falschen Löffel fallen lässt, können ihr eine andere Richtung geben. Oder vielleicht auch nicht.
    Es begann alles im letzten Herbst, an dem Tag mit der Katze...
     

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    2. Fräulein Verrat
     
    T iffany Weh fliegt auf einem Besen durch die hundert Meilen entfernten Bergwälder. Es ist ein sehr alter Besen, und sie fliegt dicht über dem Boden. Hinten sind zwei kleinere Besen an ihm befestigt, wie Stützräder, damit er nicht umkippt. Passenderweise gehört er einer sehr alten Hexe namens Fräulein Verrat, die noch schlechter fliegt als Tiffany und 113 Jahre alt ist.
    Tiffany ist gut hundert Jahre jünger, etwas größer als noch vor einem Monat und in Hinsicht auf viele Dinge nicht mehr so sicher wie vor einem Jahr.
    Sie lernt, eine Hexe zu sein. Hexen tragen für gewöhnlich Schwarz, aber soweit Tiffany das feststellen konnte, taten sie dies nur deshalb, weil sie immer Schwarz getragen hatten. Das reichte ihr als Grund nicht aus, und deshalb trug sie gern Blau oder Grün. Gegen irgendwelches Chichi hatte sie nichts, weil sie so etwas gar nicht kannte.
    Der spitze Hut jedoch war ihr Markenzeichen. Ein spit zer Hut hat an sich nichts Magisches, außer dass er seine Trägerin als Hexe ausweist. Einem spitzen Hut schenken die Leute Beachtung.
    Trotzdem ist es schwer, Hexe in einem Dorf zu sein, in dem man aufgewachsen ist. Es ist schwer, für Menschen eine Hexe zu sein, die einen als »die Kleine von Joe Weh« kennen und gesehen haben, wie man im Alter von zwei Jahren nur mit einem Hemdchen bekleidet herumgelaufen ist.
    Es hatte geholfen, die Heimat zu verlassen. Die meisten Leute, die Tiffany kannte, waren nie weiter als zehn Meilen vom Ort ihrer Geburt entfernt gewesen. Wenn man also in der geheimnisvollen Fremde gewesen war, so wurde man dadurch selbst ein wenig geheimnisvoll. Bei der Rückkehr war man dann irgendwie anders. Eine Hexe musste anders sein.
    Wie sich herausstellte, war die Hexerei hauptsächlich harte Arbeit und hatte nur sehr wenig mit heiterem Hokuspokus zu tun. Es gab keine Schule und keinen richtigen Unterricht. Aber es war nicht klug, die Hexerei ganz allein zu lernen, erst recht nicht, wenn man über eine natürliche Begabung verfügte. Wenn man es falsch anpackte, brachte man es in nur einer Woche von Unwissenheit zum Gackeln ...
    Eigentlich ging es letztendlich darum, ums Gackeln. Allerdings wurde nie darüber gesprochen. Die Hexen sagten Dinge wie »Man kann nie zu alt, zu dünn oder zu warzig sein«, aber das Gackeln erwähnten sie nie. Jedenfalls nicht direkt. Doch sie hielten ständig danach Ausschau.
    Man wurde nur allzu leicht zu einer Gacklerin. Die meisten Hexen lebten allein (eventuell mit Katze) und bekamen manchmal wochenlang keine andere Hexe zu Gesicht. Zu Zeiten, als die Menschen Hexen hassten, war ihnen oft vorgeworfen worden, sie würden mit ihren Katzen reden. Natürlich redeten sie mit ihren Katzen. Nach drei Wochen ohne ein intelligentes Gespräch, bei dem es nicht um Kühe ging, war man sogar bereit, mit einer Wand zu reden. Und das war ein erstes Anzeichen drohenden Gackelns.
    Für eine Hexe bedeutete »gackeln« nicht nur schwatzen oder böse kichern. Es bedeutete, dass sich das Bewusstsein von seinem Anker entfernte. Es bedeutete, dass man den Verstand verlor. Es bedeutete, dass Einsamkeit, harte Arbeit, Verantwortung und die Probleme anderer Leute einen Stück für Stück verrückt werden ließen, wobei jedes Stück so klein war, dass man es gar nicht bemerkte, bis man es für normal hielt, sich nicht mehr zu waschen und einen Kessel auf dem Kopf zu tragen. Es bedeutete, dass man sich für etwas Besseres als alle anderen im Dorf hielt, weil
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