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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied
Autoren: Terry Pratchett
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Wärme, die Wärme, denk an die Wärme... Gleichgewicht, Gleichgewicht...
    Hier ging es um pure Hexerei. Keine Spielzeuge, keine Zauberstäbe, kein Boffo, keine Pschikologie, keine Tricks. Es kam nur darauf an, wie gut man war.
    Aber manchmal musste man sich selbst überlisten. Sie war weder die Sommerfrau noch Oma Wetterwachs. Sie musste sich selbst so gut wie möglich auf die Sprünge helfen.
    Tiffany holte das kleine silberne Pferd aus ihrer Tasche. Es war schmierig und fleckig. Sie hatte sich oft vorgenommen, es zu säubern, aber nie Zeit dafür gefunden...
    Wie ein Ritter, der seinen Helm aufsetzt, befestigte sie die silberne Kette an ihrem Hals.
    Sie hätte mehr üben sollen. Sie hätte auf die Leute hören sollen. Sie hätte auf sich selbst hören sollen.
    Tiffany holte tief Luft und streckte die Hände nach rechts und links, die Innenflächen nach oben. Auf der rechten Hand schimmerte eine weiße Narbe.
    »Donner in meiner rechten Hand«, sagte sie. »Blitz in meiner linken. Feuer hinter mir. Eis vor mir.«
    Sie trat vor, bis sie nur noch wenige Zentimeter von der weißen Wand trennten. Deutlich spürte sie, wie der Schnee bereits die Wärme aus ihr saugte. Nun gut. Sie atmete mehrmals tief durch. Dies ist meine Entscheidung...
    »Eis zu Feuer«, flüsterte sie.
    Das Feuer im Hof wurde weiß und donnerte wie in einem Schmelzofen.
    In der Schneewand zischte es. Dampf fauchte empor und riss Schneebrocken mit sich. Tiffany setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Der Schnee wich vor ihren Händen zurück wie Dunst vor der aufgehenden Sonne. Er schmolz in ihrer Hitze, und es entstand ein Tunnel durch die hohen Schneewehen. Der Schnee floh vor ihr, umwogte sie mit Wolken aus kaltem Nebel.
    Ja! Tiffany lächelte grimmig. Es stimmte. Wenn man in seiner Mitte ruhte und die richtige Einstellung hatte, so konnte man die Dinge ausbalancieren. In der Mitte der Wippe gibt es einen Punkt, der sich nie bewegt...
    Ihre Stiefel glucksten in warmem Wasser. Da das furchtbare Unwetter so spät im Jahr gekommen war, wuchs bereits frisches grünes Gras unter dem Schnee. Tiffany ging weiter, dorthin, wo die zugeschneiten Abiammpferche lagen.
    Ihr Vater starrte ins Feuer. Es brannte weiß wie in einem Schmelzofen und fraß sich wie von starkem Wind getrieben durchs Holz. Innerhalb weniger Sekunden zerfiel es vor seinen Augen zu Asche...
    Wasser umströmte Tiffanys Stiefel.
    Ja! Aber denk nicht daran! Bewahre das Gleichgewicht! Mehr Wärme! Eis zu Feuer!
    Sie hörte ein Blöken.
    Schafe können unter Schnee überleben, zumindest für eine Weile. Aber wie Oma Weh immer gesagt hatte: Als die Götter das Schaf erschufen, haben sie das Gehirn vergessen. In Panik - und Schafe waren der Panik immer sehr nahe -zertrampelten sie ihre eigenen Lämmer.
    Dampfende, verwirrte Mutterschafe und Lämmer kamen zum Vorschein. Als der Schnee um sie herum schmolz, wirkten sie wie zurückbleibende Skulpturen.
    Den Blick starr geradeaus gerichtet, setzte Tiffany ihren Weg fort. Sie war sich nur vage der aufgeregten Rufe der Männer hinter ihr bewusst. Sie folgten ihr, befreiten die Mutterschafe, nahmen die Lämmer auf den Arm...
    Ihr Vater schrie die anderen Männer an. Einige von ihnen zerschlugen einen Karren und warfen das Holz in die glühend heißen Flammen. Andere schleppten Möbel aus dem Haus. Räder, Tische, Strohballen, Stühle - das Feuer nahm alles, verschlang es und verlangte donnernd mehr. Doch es gab nichts mehr.
    Keine rote Jacke. Keine rote Jacke! Gleichgewicht halten. Tiffany watete weiter; Wasser und Schafe strömten an ihr vorbei. Ein Stück der Tunneldecke stürzte ein und platschte ins Schmelzwasser. Sie achtete nicht darauf. Frische Schneeflocken fielen durch das Loch und kochten in der Luft über ihrem Kopf. Auch darauf achtete sie nicht. Und dann, vor ihr... etwas Rotes.
    Eis zu Feuer! Der Schnee wich zurück, und dort war er. Tiffany hob ihn hoch und schlang die Arme um ihn, gab ihm etwas von ihrer Wärme ab und spürte, wie er sich bewegte. »Der Schnee muss mindestens zwanzig Kilo gewogen haben!«, flüsterte sie. »Mindestens zwanzig Kilo!«
    Willwoll hustete und öffnete die Augen. Tränen fielen wie schmelzender Schnee, als Tiffany zu einem Schäfer lief und ihm den Jungen in die Arme drückte.
    »Bring ihn zu seiner Mutter! Jetzt sofort!« Der Mann packte den Jungen und stürmte los, von ihrer Grimmigkeit erschrocken. Heute war sie ihre Hexe!
    Tiffany kehrte zu dem Schneetunnel zurück. Es gab keine Lämmer mehr, die
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