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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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gezogen. Eine Genossenschaftswohnung, Halbparterre, mit Blick in den Hof und Blick auf die Straße. Walters Mutter sagte: Wir haben genug Platz, bleibt doch.
    Jetzt aber, sagt Maria und stellt sich aufrecht vor den Spiegel, sie zieht die Schulterblätter zurück und beginnt von vorn:
Ich kenne mich mit der Materie aus. Ich habe ein schönes Foto, auf dem du Tauben fütterst. Zumindest habe ich das erreicht, was ich erreichen wollte. Das ist nicht lustig. Jetzt müssen wir warten. Sie haben sich da falsch verhalten. Das wollen wir doch stark hoffen. Nein, die haben Geld über Geld. Es ist alles in Ordnung, gehen Sie weiter. Mein Herz, dich versteht niemand. Auf Wiedersehen und ein schönes Wochenende, auch Ihren Tieren
. Nach dem letzten Satz schließt Maria die Augen, sie beginnt aufs Neue, spricht lauter, beim dritten Satz stoppt sie und öffnet ein Auge. Genau, sagt sie, ich weiß es doch, und schließt es wieder. Beim zweiten Versuch braucht Maria die Augen nicht mehr zu öffnen. Gut, sagt sie und geht zur Kommode, nimmt den Brieföffner aus der Lade. Den Brieföffner hat Maria von ihren Eltern zur Lehrabschlussprüfung bekommen. Jetzt stehst du auf eigenen Beinen, sagte ihr Vater, und Maria lachte und sagte, einen Brief kann ich auch mit den Fingern öffnen. Ihr Vater schüttelte den Kopf, du musst noch viel lernen, sagte er und setzte sich auf seinen Platz, wo er seit seiner Pensionierung immer saß, auf dem Platz in der Küche mit Blick auf das Fenster. Maria setzt die Klinge am Rand des Kuverts an. Wer Arbeit möchte, der findet welche, sagte ihr Vater, wenn er über den arbeitslosen Nachbarn sprach. Was ist das für ein Mensch, sagte er. Hubert, sagte Marias Mutter, sprich leise, das Fenster ist offen. Wie lange ist er schon arbeitslos, sagte Marias Vater, und die Mutter schloss das Fenster. Denk an deinen Schwager, sagte sie, die Vorhänge ließ sie offen.
    Maria fährt mit dem Zeigefinger in das offene Kuvert, betastet das Papier. Weil ich vermute, dass Einladungen zu Vorstellungsgesprächen auf qualitativ hochwertiges Papier gedruckt sind, würde Maria sagen, um ihr Verhalten zu erklären, und dann: Ich erkenne bei diesem Brief die Papierqualität leider nicht ausreichend, es ist herkömmliches Papier, aber kein billiges. Maria lässt den Finger im Briefkuvert, sie blickt in den Spiegel. Notstandshilfe, so weit ist es also mit dir gekommen, würde ihr Vater sagen. Ja, würde Maria antworten, sie würde ihm nicht erzählen, dass ihr das Geld gestrichen wurde. Aber warte ab, bis ich den Brief geöffnet habe. Ich denke positiv, das Leben ist eine Herausforderung. Man muss nur stark genug wollen, dann wird alles gut. Maria nimmt den Finger aus dem Kuvert, sie legt den Brief zur Seite, sie sagt: Ich möchte noch ein wenig an meiner Visualisierung arbeiten, und geht hinüber in die Küche.

53 Der Markt
    Die Stille der fehlenden Blätter ist unerträglich, finden Sie nicht, denkt Maria, als sie unter den kahlen Platanen zum Marktplatz geht. Im November sitzt es sich schlecht auf der Bank, auch wenn sie aus Holz ist und nicht aus Metall. Marias Bank steht gegenüber der Kirche, etwas abseits, aber dennoch so, dass genügend Menschen vorüberkommen.
Kevin du Hurrenkind
hat jemand über Nacht auf die Lehne geschrieben, und Maria setzt sich neben den Schriftzug, weil sie befürchtet, die Farbe könnte noch nicht trocken sein. Der Platz um die Kirche ist gesäumt von Lokalen, an Freitagen verkaufen die Marktfahrer hier ihre Waren. Nicht alle kommen im Winter, aber der Mann mit den Fischen ist immer da, auch die Frau mit dem Schweinefleisch, über deren Vitrine Fotos hängen: liegende Schweine im Stall, stehende Schweine im Stall, manchmal mit einer Katze dazwischen, einmal auch ein Knäuel Katzenkinder. Maria nickt, wenn sie an der Frau mit den Schweinen und dem Mann mit den Fischen vorübergeht, auch den anderen Verkäufern nickt sie zu, wenn diese in ihre Richtung schauen. Maria kauft nichts, sie probiert nicht, wenn ihr Ware angeboten wird. Wer probiert, hat verloren, würde sie sagen, würde sie jemand fragen, warum. Es ist wie mit den schönen Pullovern, wer einmal hineinschlüpft, kommt nicht mehr heraus. Am liebsten unterhält sich Maria mit dem Fischverkäufer, er ist ein junger Mann, dessen Hände im Winter gerötet sind. Du wirst dir noch etwas abfrieren, sagt Maria zu ihm an besonders kalten Tagen. Ich friere mich wach, sagt der Fischverkäufer dann, und du, was machst du hier immer. Schauen, sagt Maria,
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