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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher
Autoren: Michael Connelly
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Bereich hatte sie aber keinerlei Verletzungen. Deshalb haben sie damals angenommen, dass das Blut vom Mörder stammte, dass er sich verletzt oder vorher schon geblutet hatte. Es war nur ein kleiner Tropfen. Eigentlich mehr ein Schmierer. Sie wurde mit einem Strick stranguliert. Wenn sie von hinten erdrosselt wurde, könnte seine Hand an dieser Stelle ihres Halses gewesen sein. Und wenn er eine Verletzung an der Hand hatte …«
    »Eine Übertragungsablagerung«, sagte Chu.
    »Genau.«
    Bosch fand das Polaroidfoto, auf dem der Hals des Opfers und der Blutfleck zu sehen waren.
    Die Farben waren im Lauf der Zeit so stark verblasst, dass das Blut kaum mehr zu erkennen war. Um die Größe des Flecks auf dem Foto bestimmen zu können, war ein Lineal auf den Hals des Mädchens gelegt worden. Er war etwa zwei Zentimeter groß.
    »Und diese Blutspur wurde abgenommen und aufbewahrt«, sagte Bosch. Diese Feststellung sollte weitere Erklärungen nach sich ziehen.
    »Ja«, sagte Shuler. »Weil es ein Fleck war, wurde es abgetupft. Damals konnte allerdings nur die Blutgruppe bestimmt werden. Null, Rhesus positiv. Der Tupfer wurde in einem Röhrchen aufbewahrt, das wir in der Asservatenkammer gefunden haben, als wir den Fall übernommen haben. Das Blut ist inzwischen zu Pulver getrocknet.«
    Shuler tippte mit einem Stift auf den Deckel der Archivbox.
    In diesem Moment begann das Handy in Boschs Hosentasche zu vibrieren. Normalerweise hätte er den Anruf auf die Mailbox gehen lassen, aber weil seine Tochter allein zu Hause war – sie war krank geworden und hatte nicht zur Schule gehen können –, wollte er sichergehen, dass der Anruf nicht von ihr kam. Er holte das Handy aus der Tasche und schaute auf das Display.
    Es war nicht seine Tochter. Es war Kizmin Rider, eine ehemalige Kollegin, die inzwischen als Lieutenant im Büro des Polizeichefs arbeitete. Er beschloss, sie nach der Besprechung zurückzurufen. Sie trafen sich einmal im Monat zum Mittagessen, und er nahm an, dass sie heute Zeit hatte oder anrief, weil sie gehört hatte, dass sein Antrag auf Verlängerung seiner Dienstzeit bewilligt worden war. Er steckte das Handy wieder ein.
    »Habt ihr das Röhrchen geöffnet?«, fragte er.
    »Natürlich nicht«, sagte Shuler.
    »Okay, dann habt ihr also das Röhrchen mit dem Tupfer und dem, was von dem Blut noch übrig war, vor vier Monaten an das Bezirkslabor eingeschickt, richtig?«
    »Ja«, bestätigte Shuler.
    Bosch blätterte im Mordbuch zum Obduktionsbefund. Er tat so, als interessierte er sich mehr für das, was er sah, als für das, was er sagte.
    »Habt ihr damals sonst noch was an das Labor eingeschickt?«
    »Vom Price-Fall?«, fragte Dolan. »Nein, das war das einzige biologische Beweisstück, das es damals gab.«
    Bosch nickte in der Hoffnung, sie würde weitersprechen.
    »Auch sonst ist bei den damaligen Ermittlungen nichts herausgekommen«, fuhr Dolan fort. »Sie haben keinen Verdächtigen gefunden. Auf wen sind sie bei dem kalten Treffer gestoßen?«
    »Dazu kommen wir gleich«, sagte Bosch. »Was ich damit gemeint habe, ist, habt ihr auch von den anderen Fällen, die ihr zu der Zeit bearbeitet habt, irgendwas an das Labor geschickt? Oder war das alles?«
    »Nein, das war alles.« Shuler verengte argwöhnisch die Augen zu Schlitzen. »Entschuldige mal, aber was soll das eigentlich, Harry?«
    Bosch fasste in die Innentasche seines Sakkos und zog das Formular heraus. Er schob es Shuler über den Tisch hinweg zu.
    »Der Treffer deutet auf einen Sexualtäter hin, der eigentlich recht vielversprechend scheint – bis auf eins.«
    Shuler entfaltete das Formular, und er und Dolan rückten näher zusammen, um es gemeinsam zu lesen; so, wie Bosch und Chu das vorher getan hatten.
    »Wieso?«, fragte Dolan, der das Geburtsdatum noch nicht aufgefallen war. »Der Typ passt doch super.«
    »Heute wäre er perfekt«, erwiderte Bosch. »Aber damals war er erst acht Jahre alt.«
    »Willst du mich verarschen?«, fragte Dolan.
    »Das kann doch wohl nicht sein?«, fügte Shuler hinzu.
    Dolan zog das Formular zu sich hin, um es sich genauer anzusehen und das Geburtsdatum zu überprüfen. Shuler lehnte sich zurück und sah Bosch misstrauisch an.
    »Ihr glaubt also, wir haben Scheiße gebaut und zwei Fälle miteinander vermengt?«
    »Nein«, sagte Bosch. »Duvall hat uns zwar gebeten, dieser Möglichkeit nachzugehen, aber wie ich die Sache sehe, ist auf unserer Seite alles korrekt gelaufen.«
    »Dann muss es im Labor passiert sein«,
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