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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher
Autoren: Michael Connelly
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City.
    Aufgrund von Pells Vorstrafenregister ging Bosch davon aus, dass es sich bei dem Fall von 1989 um einen Sexualmord handelte. Er spürte, wie sich alles in ihm zusammenzog. Er würde sich Clayton Pell schnappen und ihn seiner gerechten Strafe zuführen.
    »Sehen Sie es?«, fragte Lieutenant Duvall.
    »Ob ich was sehe?«, fragte Bosch. »Dass es ein Sexualmord war? Wie es aussieht, ist dieser Kerl ein typischer Sexualver…«
    »Das Geburtsdatum«, unterbrach ihn Duvall.
    Bosch schaute auf das Formular. Auch Chu beugte sich vor.
    »Ach ja, hier.« Bosch deutete darauf. » 9 . November 1981 . Wieso? Was soll damit …«
    »Er ist zu jung«, sagte Chu.
    Bosch sah kurz seinen Partner an und dann wieder auf das Formular. Dann schaltete er. Clayton Pell war 1981 geboren. Er war zum Zeitpunkt des Mordes erst acht Jahre alt gewesen.
    »Genau«, sagte Duvall. »Deshalb möchte ich, dass Sie sich von Shuler und Dolan die Akte und die Box besorgen und in aller Stille herausfinden, womit wir es hier zu tun haben. Ich hoffe nur, die beiden haben nicht zwei Fälle miteinander verwechselt und Genproben von einem jüngeren Fall versehentlich diesem alten zugeordnet. Wie Sie gerade sagen wollten, ist dieser Kerl eindeutig ein typischer Sextäter, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass er schon mit acht einen Mord begangen hat und ungestraft davongekommen ist. Irgendetwas stimmt hier eindeutig nicht. Finden Sie heraus, was das ist, und bevor Sie weitere Schritte unternehmen, kommen Sie erst einmal zu mir. Wenn hier jemand Mist gebaut hat und sich alles wieder ausbügeln lässt, brauchen wir uns wegen der Dienstaufsicht oder sonst jemandem keine Gedanken zu machen. Dann bleibt das Ganze unter uns.«
    Auf den ersten Blick schien es, als wollte sie Shuler und Dolan die Dienstaufsicht vom Hals halten, aber Bosch ließ sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich auch selbst abzusichern versuchte. Die Aufstiegsmöglichkeiten eines Lieutenant, in dessen Einheit es bei der Beweismittelhandhabung zu einer schweren Panne gekommen war, waren nicht rosig.
    »Für welche Jahrgänge sind Shuler und Dolan sonst noch zuständig?«, erkundigte sich Bosch.
    »Von den aktuelleren haben sie siebenundneunzig und zweitausend«, sagte Marcia. »Die Beweise könnten also von einem ihrer Fälle aus diesen beiden Jahrgängen stammen.«
    Bosch nickte. Er malte es sich bereits aus: die Verschmutzung des genetischen Beweismaterials eines Falls durch das eines anderen, verursacht durch Achtlosigkeit. Das Endergebnis wären zwei kontaminierte Fälle und ein Skandal, der an jedem haften bliebe, der irgendwie damit in Berührung gekommen war.
    »Was sollen wir Shuler und Dolan sagen?«, fragte Chu. »Mit welcher Begründung schnappen wir ihnen den Fall weg?«
    Duvall blickte zu Marcia hoch.
    »Sie haben demnächst einen Prozess«, sagte er in Beantwortung ihrer unausgesprochenen Frage. »Am Donnerstag beginnt die Auswahl der Geschworenen.«
    Duvall nickte. »Ich werde ihnen sagen, dass ich ihnen dafür den Rücken freihalten möchte.«
    »Und wenn sie den Fall trotzdem wollen?«, fragte Chu. »Was ist, wenn sie sagen, sie bekommen es schon hin?«
    »Dann verklickere ich es ihnen halt anders«, sagte Duvall. »Sonst noch Fragen, Detectives?«
    Bosch sah seine Vorgesetzte an.
    »Wir werfen gern einen Blick auf die Sache und sehen, was es damit auf sich hat, Lieutenant. Aber gegen andere Cops ermittle ich nicht.«
    »Kein Problem. Verlangt auch niemand von Ihnen. Gehen Sie der Sache nach und sagen Sie mir, wie die DNA einem Achtjährigen zugeordnet werden konnte, mehr will ich nicht von Ihnen.«
    Bosch nickte und machte sich daran, aufzustehen.
    »Und denken Sie vor allem an eines«, fügte Duvall hinzu. »Bevor Sie wegen etwas, was Sie rausgefunden haben, konkrete Schritte unternehmen, reden Sie erst mit mir.«
    »Alles klar«, sagte Bosch.
    Er, Chu und Marcia gingen zur Tür.
    Aber Duvall rief Bosch zurück. »Harry, hätten Sie noch einen Moment Zeit?«
    Bosch sah Chu an und zog die Augenbrauen hoch. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Nachdem Chu und Marcia das Büro verlassen hatten, kam Lieutenant Duvall hinter ihrem Schreibtisch hervor und schloss die Tür. Sie blieb stehen und fuhr im selben geschäftsmäßigen Ton fort: »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihr Antrag auf Verlängerung Ihrer Dienstzeit durchgegangen ist. Sie haben vier Jahre bekommen, rückwirkend.«
    Bosch sah sie an und begann sofort, im Kopf nachzurechnen.
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