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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten
Autoren: Brent Weeks
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neben ihm ließen ihn innehalten. »Nun, ich kann es. Was Puppenmädchen betrifft, bin ich mir nicht so sicher.«
    Sie drehten sich beide zu ihr um. Puppenmädchen knabberte noch immer am Kanten ihres Brotes. Die Kombination aus Krümeln, die in ihrem Gesicht klebten, und ihrer entrüsteten Miene ließ die beiden Jungen in heulendes Gelächter ausbrechen.
    Azoth strich ihr über den blonden Kopf, und als sie weiter
finster dreinblickte, zog er sie an sich. Sie wehrte sich gegen ihn, aber als er den Arm sinken ließ, rutschte sie nicht weg. Stattdessen sah sie Jarl erwartungsvoll an.
    Jarl hob sein Gewand und zog einen Lumpen hervor, den er sich wie eine Schärpe um den Leib gebunden hatte. »Ich will nicht so sein wie die anderen, Azo. Ich werde nicht einfach hinnehmen, wie das Leben mit mir umspringt. Ich werde hier herauskommen.« Er öffnete die Schärpe. In ihren Falten steckten ein Dutzend Kupfermünzen, vier Silberstücke und, unglaublicherweise, zwei Gold-Gunder.
    »Vier Jahre. Vier Jahre habe ich gespart.« Er ließ zwei weitere Kupfermünzen in die Schärpe fallen.
    »Du meinst, all die Male, da Ratte dich geschlagen hat, weil du die Abgaben nicht leisten konntest, hattest du das da?«
    Jarl lächelte, und langsam verstand Azoth. Die Prügel waren nur ein kleiner Preis für Hoffnung. Nach einiger Zeit verwelkten die meisten Gilderatten und ließen sich vom Leben besiegen. Sie wurden zu Tieren. Oder sie verloren den Verstand, wie Azoth es heute getan hatte, und wurden getötet.
    Als er Jarls Schatz betrachtete, schoss ihm kurz der Gedanke in den Sinn, seinen Freund zu schlagen, sich die Schärpe zu nehmen und wegzurennen. Mit diesem Geld käme er hier raus, er könnte seine Lumpen durch richtige Kleider ersetzen und irgendwo, irgendwo, Lehrlingsgebühren bezahlen. Vielleicht sogar bei Durzo Blint, wie er es Jarl und Puppenmädchen so oft erzählt hatte.
    Dann sah er Puppenmädchen an. Er wusste, wie sie ihn anschauen würde, wenn er diese Schärpe voller Leben stahl. »Wenn einer von uns es schafft, den Kavernen zu entkommen, wirst du es sein, Jarl. Du verdienst es. Hast du einen Plan?«
    »Immer«, antwortete Jarl. Er blickte auf, und seine braunen
Augen leuchteten. »Ich will, dass du es nimmst, Azo. Sobald wir herausfinden, wo Durzo Blint lebt, werden wir dich nach draußen schaffen. In Ordnung?«
    Azoth betrachtete das Häufchen Münzen. Vier Jahre. Dutzende von Malen, da er verprügelt worden war. Er hatte nicht nur keine Ahnung, ob er so viel für Jarl opfern würde, er hatte sogar daran gedacht, ihm das Geld zu stehlen. Heiße Tränen stiegen in ihm auf, die er nicht zurückhalten konnte. Er schämte sich so sehr. Er hatte solche Angst. Angst vor Ratte. Angst vor Durzo Blint. Immer Angst. Aber wenn er herauskam, konnte er Jarl helfen. Und Blint würde ihn lehren zu töten.
    Azoth blickte zu Jarl auf und wagte es nicht, Puppenmädchen anzusehen, aus Angst, was er in ihren großen, braunen Augen vielleicht finden würde. »Ich nehme es.«
    Er wusste, wen er zuerst töten würde.

3
    Durzo Blint zog sich auf die Mauer des kleinen Anwesens und beobachtete, wie die Wache vorbeiging. Die perfekte Wache, dachte Durzo: ein wenig begriffsstutzig, ohne Fantasie und pflichtbewusst. Sie machte ihre neununddreißig Schritte, blieb an der Ecke stehen, pflanzte ihre Hellebarde auf, kratzte sich unter dem gefütterten Wams am Bauch, blickte prüfend in alle Richtungen und ging dann weiter.
    Fünfunddreißig. Sechsunddreißig. Der Schatten des Mannes hatte Durzo passiert, und der Blutjunge ließ sich langsam an der Mauer herab, bis er nur noch an den Fingerspitzen hing.

    Jetzt. Er ließ sich fallen und schlug im Gras auf, gerade als der Wachposten das stumpfe Ende seiner Hellebarde auf den hölzernen Gehweg krachen ließ. Er glaubte zwar, dass der Wachposten ihn auch ohne diese genaue zeitliche Abstimmung nicht gehört haben würde, aber im Gewerbe der Blutjungen erzeugte Paranoia Perfektion. Der Innenhof war klein und das Haus nicht viel größer. Es war nach ceuranischer Manier erbaut, mit Wänden aus durchscheinendem Reispapier, Türen aus Sumpfeibe und Flusszeder sowie einer Rahmenstruktur und Böden aus billigerer heimischer Kiefer. Es war kärglich eingerichtet wie alle ceuranischen Häuser, und das passte zu General Agons militärischem Hintergrund und seiner asketischen Persönlichkeit. Wichtiger noch war, dass es zu seinem Budget passte. Trotz der zahlreichen Erfolge des Generals hatte König Darvin ihn nicht
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