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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten
Autoren: Brent Weeks
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herrschte benommenes Schweigen. Ein goldener Augenblick des Sieges. Azoth glaubte, Unterkiefer herunterklappen hören zu können. Sein gesunder Menschenverstand kam gerade langsam wieder an die Oberfläche, als Rattes Faust ihn am Ohr traf. Schwarze Flecken blendeten die Welt aus, als er auf dem Boden aufschlug. Blinzelnd schaute er zu Ratte empor, dessen schwarzes Haar um seinen Kopf herum schimmerte, während es die Nachmittagssonne aussperrte, und er wusste, dass er sterben würde.
    »Ratte! Ratte, ich brauche dich.«
    Azoth rollte sich zur Seite und sah Ja’laliel aus dem Haus der Gilde treten. Schweißperlen bedeckten seine blasse Haut, obwohl der Tag nicht heiß war. Er hustete kränklich. »Ratte! Ich habe gesagt, sofort.«
    Ratte wischte sich das Gesicht ab, und zu sehen, wie sein Zorn sich so rasch abkühlte, war beinahe noch beängstigender, als seine plötzliche Hitze mit anzusehen. Seine Miene hellte sich auf, und er lächelte Azoth an. Lächelte nur.
     
    »Hey-ho, Jay-Oh«, sagte Azoth.
    »Hey-ho, Azo«, erwiderte Jarl und gesellte sich zu Azoth und Puppenmädchen. »Weißt du, du bist ungefähr so klug wie eine Schachtel Haare. Sie werden ihn noch jahrelang hinter seinem Rücken Ratty Fatty nennen.«
    »Er wollte, dass ich eins von seinen Mädchen werde«, sagte Azoth.

    Sie lehnten sich mehrere Häuserblocks entfernt an eine Mauer und teilten den altbackenen Brotlaib, den Azoth gekauft hatte. Die Gerüche von Backwaren, wenn auch weniger intensiv zu dieser späten Tagesstunde, überlagerten zumindest einige der Gerüche von Abwässern, verfaulendem Kohl, der sich an den Ufern des Flusses türmte, und den ranzigen Gestank von Urin und Hirn aus Gerbereien.
    Während die ceuranische Architektur ganz auf Bambus, Reisfaserwänden und Wandschirmen beruhte, war die cenarische Architektur gröber, schwerer und ohne die wohl abgewogene Schlichtheit der ceuranischen. Gegenüber der alitaerischen Bauweise aus Granit und Kiefer wirkte die cenarische weniger beeindruckend, und es fehlte ihr an Dauerhaftigkeit. Wo die osseinische Baukunst luftige Türmchen und hohe Bögen vorsah, blieb die der Cenarier erdverbunden und erhob sich nur bei den wenigen Villen von Adligen im Osten der Stadt ein armseliges Stockwerk über die Erde. Cenarische Häuser waren massig, feucht, billig und flach, vor allem im Labyrinth der Vorstadt. Es wurden nur billigste Materialien benutzt, selbst wenn schon geringer Mehraufwand zu viel längerer Haltbarkeit geführt hätte. Cenarier dachten nicht langfristig, weil sie nicht langfristig lebten. Ihre Häuser bestanden häufig aus Bambus und Reisfaser, leicht erhältlich, überall nachwachsende Baustoffe, und aus Kiefernholz und Granit, die ebenfalls von nicht allzu weit her herangeschafft wurden, aber es gab keinen cenarischen Stil. Das Land war im Laufe der Jahrhunderte zu viele Male erobert worden, um auf etwas anderes stolz sein zu können, als auf die Fähigkeit zu überleben. Im Labyrinth gab es nicht einmal Stolz.
    Azoth riss den Brotlaib geistesabwesend in drei Teile, dann runzelte er finster die Stirn. Er hatte zwei etwa gleich groß gemacht und einen dritten kleiner. Eins der größeren Stücke legte
er auf sein Bein und reichte das andere große Stück Puppenmädchen, die ihm folgte wie ein Schatten. Das kleinste Stück wollte er gerade Jarl geben, als er sah, wie Puppenmädchen missbilligend das Gesicht verzog.
    Azoth seufzte und nahm das kleine Stück für sich selbst. Jarl bemerkte es nicht einmal. »Besser eins seiner Mädchen als tot«, sagte Jarl.
    »Ich werde nicht so enden wie Bim.«
    »Azo, sobald Ja’laliel die Musterung besteht, wird Ratte unser Gildehaupt sein. Du bist elf. Noch fünf Jahre, bis du gemustert wirst. Du wirst es niemals schaffen. Ratte wird dafür sorgen, dass Bim neben dir wie ein Glückspilz erscheint.«
    »Was soll ich also tun, Jarl?« Im Allgemeinen war dies Azoths Lieblingszeit. Er war mit den beiden Menschen zusammen, vor denen er keine Angst zu haben brauchte, und er brachte die beharrliche Stimme des Hungers zum Schweigen. Jetzt schmeckte das Brot wie Staub. Er starrte auf den Markt und sah nicht einmal, wie die Fischverkäuferin ihren Ehemann schlug.
    Jarl lächelte, und seine Zähne nahmen sich leuchtend weiß aus vor dem Hintergrund seiner schwarzen Ladeshi-Haut. »Wenn ich dir ein Geheimnis verrate, kannst du darüber Stillschweigen bewahren?«
    Azoth blickte sich um und beugte sich dann vor. Das laute Knirschen von Brot und das Schmatzen
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