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Der Weg des Feuers

Der Weg des Feuers

Titel: Der Weg des Feuers
Autoren: Christian Jacq
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guter Schreiber, später vielleicht Schriftsteller werden wollen. Es machte ihm Freude, die Schriften der Weisheit, wie beispielsweise die Maximen von Ptah-Hotep, neu zu schreiben und die Schätze der Alten zu entdecken. Nie sprachen sie über sich selbst, immer waren sie bedacht, Maat weiterzugeben, und versäumten es nicht, die Unzulänglichkeiten und Schwächen der menschlichen Spezies anzusprechen. Und erst die großartigen, tiefsinnigen Ritualtexte, zu denen er als zeitweiliger Anubis-Priester Zugang bekommen hatte? Da Isis regelmäßig die Bibliotheken vom Haus des Lebens aufsuchen durfte, kannte sie vermutlich noch andere wunderbare Texte. Von solch einer Zukunft hatte Iker geträumt, und nicht davon, Sonderbeauftragter des Pharaos zu werden und einen Sündenpfuhl erkunden zu müssen, in dem er bald zugrunde gehen würde.
    Der Königliche Sohn war so in Gedanken versunken, dass er erst jetzt bemerkte, dass er vom Weg abgekommen war. Mit einem Mal fand er sich in einer seltsam stillen Straße wieder, in der keine Kinder spielten, keine Hausfrauen vor ihren Türen schwatzten und keine Wasserträger ihre Dienste feilboten. Als er umkehren wollte, wäre Iker beinahe mit einem stämmigen, bösartig wirkenden Grobian zusammengestoßen. Der Mann hatte einen großen Stein in der Hand und fuhr den Spaziergänger an: »Du trägst einen schönen Schurz und gute Sandalen, ich muss schon sagen… So was sieht man hier bei uns eher selten! Sei doch so nett und gib mir die Sachen.«
    Iker drehte sich um.
    Am anderen Ende der Gasse standen zwei Genossen, die genauso wenig Vertrauen erweckend aussahen.
    »Du kommst uns nicht aus, mein Junge. Also hilf uns ein bisschen, dann tun wir dir auch nichts. Her mit dem Schurz und den Sandalen, aber schnell!«
    Iker musste sich augenblicklich für eine Angriffsmethode entscheiden, ehe sich das Netz zusammenzog, die drei Diebe ihn halb totschlagen und sein Vorhaben beenden würden. Der königliche Schreiber stürzte sich auf den Grobian, der plötzlich ein sonderbares Quietschen von sich gab, seinen Stein fallen ließ und sich mit dem Gesicht nach unten auf der Erde wälzte.
    Seine Gehilfen kamen angelaufen, aber der Schnellere von beiden blieb wie vom Blitz getroffen stehen und stürzte ebenfalls zu Boden. Erschrocken ergriff sein Gefährte die Flucht.
    Ein kräftiger Bursche mit kantigem Gesicht, buschigen Augenbrauen und einem runden Bauch erschien nun auf der Bildfläche und spielte lässig mit seiner Schleuder.
    »Du, Sekari! Bist du mir etwa seit dem Palast gefolgt?«
    »Du siehst ja, was dir zustößt, wenn ich mich nicht um deine Sicherheit kümmern würde? Zugegeben – einen oder vielleicht sogar zwei von denen hättest du auch ohne mich erledigt, aber diese Kerle sind hinterhältig und schlagen gern unter die Gürtellinie. Was hast du dir denn dabei gedacht, in diesem Aufzug durch solch ein Viertel zu spazieren?«
    »Ich war ganz in Gedanken versunken und…«
    »Komm mit, wir gehen jetzt ein Bier trinken, das bringt dich wieder zur Vernunft. Ich kenne ein eher gediegenes Gasthaus, in dem du nicht allzu sehr auffallen dürftest.«
    Sekari hatte einen besonderen Auftrag von Sesostris – er musste Iker unter allen Umständen beschützen. Infolge zahlreicher gemeinsam bestandener Prüfungen waren die beiden Gefährten zu unzertrennlichen Freunden geworden. Sekari stammte aus einfachen Verhältnissen, war aber in der Lage, die verschiedensten Berufe auszuüben, vom Hausdiener über den Minenarbeiter und Vogelfänger bis hin zum Gärtner. Da er sich zudem fast vollkommen geräuschlos zu bewegen vermochte, konnte er sich so gut wie unsichtbar machen. Obwohl er sich ungebildet und wie ein munterer Geselle gab, der sich ohne Schwierigkeiten in jede Gesellschaftsschicht einfügen konnte, vermutete Iker dennoch, dass er einiges über den Goldenen Kreis von Abydos, die geheimste Priesterschaft Ägyptens, wusste. Allen Fragen zu diesem Thema wich sein Freund aber geschickt aus, beinahe so, als hätte er sich zu vollkommenem Stillschweigen darüber verpflichtet. Das Bier war ziemlich stark und brachte Iker wieder auf die Beine.
    »Mit deiner Laune scheint es ja nicht weit her zu sein«, bemerkte Sekari.
    »Glaubst du denn, ich hätte auch nur den geringsten Grund, zuversichtlich zu sein?«
    »Glaubst du wirklich, der König würde dich in den sicheren Tod schicken?«
    Mit dieser Frage konnte Iker nichts anfangen.
    »Ganz allein im syrischen Palästina, einer mir vollkommen fremden Welt,
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