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Der Weg des Feuers

Der Weg des Feuers

Titel: Der Weg des Feuers
Autoren: Christian Jacq
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die Akazie des Osiris, mit einem unheilvollen Zauber belegt. Ohne das Eingreifen des Pharaos und die tägliche Arbeit der ständigen Priester wäre der Baum vermutlich bereits vollkommen abgestorben. Niemand wusste aber, wie lange die rituellen Schutzmaßnahmen den Verfallsvorgang noch aufhalten konnten. Und nur seine Genesung würde den Sieg des Lichts bedeuten. Augenblicklich gab es aber wenig Grund, zuversichtlich zu sein, da die Suche nach dem heilenden Gold bisher ergebnislos verlaufen war. Die Aufgabe war äußerst dringend und unabdingbar: Der Prophet musste gefasst und zum Reden gebracht werden, um endlich in Erfahrung zu bringen, auf welche Weise er den bösen Zauber ausübte.
    Gleichzeitig konnte Iker damit seinen großen Fehler wieder gutmachen: Oder hatte er etwa nicht als Marionette in der Hand von Asiaten, die im Dienst des Propheten standen, versucht, den Pharao zu ermorden, den er zu Unrecht für einen Tyrannen gehalten hatte? Zum Glück waren ihm rechtzeitig die Augen geöffnet worden. Und Sesostris hatte ihn zur allgemeinen Überraschung nicht verurteilt, sondern zum
    »einzigen Mündel« und »Königlichen Sohn« ernannt – zum großen Ärger vieler Höflinge, die selbst mit diesen begehrten Titeln geliebäugelt hatten.
    Iker, der eher ein nachdenklicher Einzelgänger war und wenig für Geselligkeit übrig hatte, bedeutete diese Auszeichnung weit weniger als die Erziehung durch den König, der ihn über Gott, die Gottheiten und Maat unterrichtete. Auf ganz besondere Weise hatte der Pharao zwei alltägliche Worte zu ihm gesagt – »mein Sohn« – und Ikers Ziellosigkeit damit ein Ende gesetzt.
    Nie mehr sollte er Maats Weg verlassen: So lautete der oberste Befehl, der nicht leicht zu befolgen war. Von einem richtigen Königlichen Sohn verlangte der Herrscher einen aufrechten und entschiedenen Willen, Beobachtungsgabe, Verständnis und die Fähigkeit zuzuhören, ausschließlich gerechte Gedanken, den Mut, es mit Angst und Gefahren aufzunehmen und das ständige Bestreben nach Wahrheit, auch wenn ihn das sein Leben kosten sollte. Nur mit diesen Fähigkeiten konnte man zu hotep gelangen, zu Erfüllung und Seelenfrieden. Iker fühlte sich davon allerdings noch so weit entfernt, dass er lieber an die Worte seines ersten Lehrers, eines alten Schreibers aus Medamud, dachte, die Sesostris überraschenderweise wiederholt hatte: »Wie hart die Prüfungen auf dem Weg dorthin auch sein sollten, gib die Hoffnung nicht auf. Ich werde immer bei dir sein, mein Sohn, und dir dabei helfen, eine Bestimmung zu erfüllen, von der du noch gar nichts weißt.«
    Iker verließ den Garten und lief ziellos durch die Straßen der Hauptstadt. Ungeachtet der schrecklichen Ereignisse und des misslungenen Anschlags auf den Pharao blieb Memphis eine fröhliche, lebhafte Stadt. Seit der Ersten Dynastie war sie der wirtschaftliche Mittelpunkt des Landes und sorgte durch ihre Lage für ein Gleichgewicht zwischen Ober-und Unterägypten, dem Niltal und den weiten grünen Wasserflächen seines Deltas.
    Die Priester kamen ihren rituellen Pflichten nach, indem sie die zahlreichen Tempel der Stadt beseelten, die Schreiber erledigten ihre Verwaltungsaufgaben, die Handwerker fertigten die Gegenstände, die für Geistliche und Weltliche unerlässlich waren, die Kaufleute belebten den Markt, die Hafenarbeiter entluden Waren… Diese bunte, lebendige Stadt ahnte nicht, dass der Lebensbaum und mit ihm die gesamte ägyptische Gesellschaft unterzugehen drohten.
    Iker sah voraus, was geschehen würde, sollte der Prophet die Oberhand gewinnen: Die Akazie würde sterben, Memphis in Schutt und Asche gelegt werden, und mit ihm würde das ganze Land dieses Schicksal ereilen.
    Der junge Mann hatte sich freiwillig bereit erklärt, den Propheten unschädlich zu machen, weil er dadurch seine Fehler wieder gutmachen und ein reines Gewissen bekommen wollte; dabei war ihm durchaus bewusst, dass er genauso gut selbst seinem Leben ein Ende setzen konnte. Trotz seiner militärischen Ausbildung im Gazellengau hatte er keinen Grund zur Hoffnung. Dennoch entmutigte ihn der König nicht, sondern ermunterte ihn mit dem Ratschlag, sich mit Waffen aus dem Reich des Unsichtbaren auszustatten.
    Hätte die Frau, die er liebte, seine Leidenschaft erwidert, hätte er vielleicht aufgegeben. Nein, es wäre ungerecht, Isis irgendeine Verantwortung in dieser Angelegenheit zuzuschreiben! Iker musste aufbrechen, auch wenn ihn Ängste peinigten. Dabei hatte er eigentlich nur ein
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