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Der Waldsteig

Titel: Der Waldsteig
Autoren: Adalbert Stifter
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den erwartenden Mann zu. Er sagte, da er vor ihm in dem Gartengange stand, er sei sein Nachbar Theodor Kneigt, er gebe sich viel mit Wissenschaften ab, insbesondere mit der Arzneikunde. Vor mehreren Wochen sei er im Haller auf eine Stelle gerathen, welcher er mit seinen Kräften allein nicht völlig Herr werden könne, darum sei er zu ihm, den der Ruf als einen in diesen Dingen kundigen Mann verkünde, herüber gefahren, und bitte ihn, daß er mit Aufopferung einiger Minuten seiner Zeit ihm mit einem Rathe in der Sache beispringen möge.
    Auf diese Anrede erwiederte der kleine Doctor, er lese veraltete Schriften, wie den Haller, gar nicht, er doctere jezt auch ganz und gar nicht mehr, er wisse auch nur in ganz wenigen Fällen zuverlässige Mittel anzugeben, und er wende die Kunde, die er über Dinge des menschlichen Körpers habe, blos dazu an, daß er sich selber ein Leben verschreibe, welches seinem Körper das bei Weitem nüzlichste und heilbringendste sei. Deßhalb habe er die Hauptstadt verlassen und sei so weit auf das Land heraus gegangen, daß er hier das gesündeste Leben führe und das höchste Alter erreiche, welches überhaupt der Zusammenstimmung der Elemente seines Körpers möglich sei. Wenn übrigens der Herr Nachbar den Haller bei sich habe, so könnte man ja die Stelle ansehen und einen Versuch wagen, was aus ihr heraus zu bringen sei, was nicht.
    Herr Tiburius ging auf diese Rede zu seinem Wagen, zog den Haller aus der Tasche desselben, und kam mit ihm wieder zu dem kleinen Doctor zurük. Dieser führte seinen Herrn Nachbar in ein Gartenhaus, dort blieben die Männer einige Zeit, und als sie wieder daraus hervor gingen, hatte Herr Tiburius die Genugthuung, daß der fremde Doctor über die Stelle im Haller das nehmliche dachte und sagte, wie er. Der Doctor sagte, nachdem das eigentliche Geschäft abgethan war, zu Herrn Tiburius, er habe zwar ein junges sehr schönes Weib, es sei auch gewöhnlich Sitte, daß man einen Gast und Nachbar, der den ersten Besuch mache, zu der Frau des Hauses führe; allein er wisse nicht, ob der Herr Nachbar seinem Weibe nicht widerwärtig sein könnte; denn es ist unter seinen Grundsäzen auch der obenan, daß seine Gattin, so wie er, in allen nicht zur Ehe gehörigen Dingen die völligste Freiheit zu handeln haben müsse; darum werde er sein Weib fragen, und wenn der Herr Nachbar wieder einmal komme, werde er ihm sagen können, ob er ihn zu ihr führen werde, oder nicht.
    Hierauf erwiederte Herr Tiburius, er sei wegen des Hallers herüber gekommen, das sei abgethan und es sei gut.
    Deßohngeachtet zeigte ihm der Doctor noch flüchtig seine Anlagen, wo er die Camellienhäuser habe, wo er seine Rhododendern, seine Azalien, Verbenen, Eriken und andere ziehe, und wo er die Erden mische und brenne. Von dem Obste und andern Dingen sei noch nicht viel zu sehen.
    Sodann stieg Herr Tiburius in seinen Wagen und fuhr davon. Der Doctor hatte eine hölzerne Vorrichtung, die mit Klöppeln sehr laut klapperte, um seine Leute, die in verschiedenen Geschäften zerstreut waren, zum Essen oder zur Arbeit oder zu einer Ankündigung zusammen rufen zu können. Als Herr Tiburius den Abhang der Querleithen hinab fuhr, hörte er schon wieder das Klappern dieser Vorrichtung, was andeutete, daß der fremde Doctor mit seinen Leuten schon wieder in einem Verkehre befindlich sei.
    Zu diesem Manne kam Herr Tiburius nach einiger Zeit wieder, und dann öfter und so immer fort; war es nun, daß er, wie es bei derlei Leuten ist, einmal im Geleise war, und daher in demselben fort ging, oder wollte er von dem Doctor etwas lernen. Da standen nun die zwei Männer, welche von den Menschen Narren geheißen wurden, manchmal in dem Garten beisammen; der eine in einem Strohhute und in einem grobleinenen Anzuge, daß ihm der Wind bei den Oeffnungen hinein ging und durch alle Glieder strich: der andere mit einer Filzkappe auf dem Haupte, die er bis über die Ohren herab zog, mit einem langen Roke, der fast die Erde kehrte, über die andern Kleider zusammen geknöpft war, und oben unter dem Kragen noch ein großes zusammengebauschtes Tuch sehen ließ, daß der Hals warm sei, und endlich mit großen weiten Stiefeln, in denen er doppelte Strümpfe an hatte, daß sich die Füsse nicht erkälten. Bei diesen Besuchen sagte der Doctor nichts mehr davon, daß er den Herrn Tiburius zu seinem Weibe hinein führen werde, und dieser verlangte es auch niemals.
    Weil also Herr Tiburius zu keinem Menschen kam, als zu dem Doctor,
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