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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat
Autoren: John Grisham
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Steuererklärung. Es war eine seltene Gelegenheit, die intimeren Details seines Erfolges als
    Teilhaber zu erfahren, doch was ich sah, bereitete mir keine Freude.
    »Wie viel?« wollte Mister wissen.
    Ach, die Freuden einer Steuererklärung! Wie hätten Sie’s denn gern, Sir?
    Bruttoverdienst? Angepasster Bruttoverdienst? Nettoverdienst? Steuerpflichtige Einnahmen? Einnahmen aus Löhnen und Gehältern? Einnahmen aus Immobilien und Kapitalvermögen?
    Malamuds Monatseinkommen belief sich auf fünfzigtausend Dollar, und der jährliche Teilhaberbonus, von dem wir alle träumten, betrug fünfhundertzehntausend Dollar. Es war, wie wir alle wussten, ein sehr gutes Jahr gewesen. Malamud war einer von vielen Teilhabern, die mehr als eine Million verdient hatten.
    Ich beschloss, auf Nummer sicher zu gehen. Auf den hinteren Seiten der Erklärung waren noch eine Menge Einkünfte versteckt - Mieteinnahmen, Dividenden, ein kleines Geschäft -, aber ich nahm an, dass Mister, sollte er selbst einen Blick in die Erklärung werfen, sich in all diesen Zahlen nicht zurechtfinden würde.

    »Eine Million einhunderttausend«, sagte ich und ließ zweihunderttausend Dollar unter den Tisch fallen.
    Er war einen Augenblick in Gedanken versunken. »Sie haben eine Million Dollar verdient«, sagte er zu Malamud, der sich dieser Tatsache nicht im mindesten schämte.
    »Ja, das stimmt.«
    »Wie viel haben Sie den Hungrigen und Obdachlosen gegeben?«
    Ich suchte bereits nach dem entsprechenden Eintrag.
    »Ich weiß es nicht mehr genau. Meine Frau und ich unterstützen eine Menge Hilfsorganisationen. Ich erinnere mich an eine Spende - fünftausend Dollar, glaube ich - an den Greater D.C. Fund, der das Geld, wie Sie sicher wissen, an die Bedürftigen verteilt. Wir geben viel, und wir geben gern.«
    »Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, erwiderte Mister mit einer ersten Spur von Sarkasmus.
    Er wollte nicht hören, wie großzügig wir eigentlich waren. Er wollte nur die Tatsachen. Ich musste alle neun Namen aufschreiben und daneben das letzte Jahreseinkommen und die Summe der Spenden notieren.
    Das dauerte eine Weile, und ich wusste nicht, ob ich mich beeilen oder gewissenhaft sein sollte. Würde er uns abschlachten, wenn er mit der Summe nicht zufrieden war? Vielleicht sollte ich mich lieber nicht beeilen. Es war schon sehr bald offensichtlich, dass wir reichen Säcke eine Menge Geld gemacht und verdammt wenig davon weitergegeben hatten. Zugleich wusste ich aber, dass die Pläne für unsere Rettung um so verrückter werden würden, je länger sich die Geiselnahme hinzog.
    Er hatte nicht gesagt, er werde stündlich eine Geisel umbringen. Er wollte keine Freunde aus dem Gefängnis freipressen. Eigentlich schien er gar nichts zu wollen.
    Ich ließ mir Zeit. Malamud stand an erster Stelle. Der letzte war Colburn, ein Mitarbeiter im dritten Jahr, der bloß auf sechsundachtzigtausend kam. Ich war empört, als ich feststellte, dass mein Freund Barry Nuzzo elftausend mehr verdiente als ich. Darüber würde noch zu reden sein.
    »Abgerundet drei Millionen Dollar«, erstattete ich Mister Bericht. Er schien schon wieder zu schlafen. Die linke Hand hielt den roten Draht.
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Und wie viel für die Armen?«
    »Die Summe der Spenden beträgt hundertachtzigtausend.«
    »Ich will nicht die Summe der Spenden. Werfen Sie mich und meine Leute nicht in einen Topf mit dem Symphonieorchester und der Synagoge und diesen hübschen Klubs für Weiße, wo Wein und Autogramme zugunsten der Pfadfinder versteigert werden. Ich spreche von Essen.
    Essen für hungrige Menschen, die in derselben Stadt leben wie Sie. Essen für kleine Kinder. Hier. Hier, in dieser Stadt, in der Leute wie Sie Millionen verdienen, gibt es Kinder, die nachts Hunger haben, die weinen, weil sie hungrig sind. Wie viel haben Sie alle für Essen gespendet?«
    Er sah mich an. Ich sah auf das Papier vor mir. Ich konnte nicht lügen.
    Er sprach weiter. »In der ganzen Stadt gibt es Suppenküchen, wo die Armen und Obdachlosen was zu essen kriegen können. Wie viel Geld haben Sie den Suppenküchen gespendet? Haben Sie ihnen überhaupt was gespendet?«
    »Nicht direkt«, sagte ich. »Aber einige dieser Organisationen …«
    »Halten Sie den Mund!«

    Er fuchtelte wieder mit der Pistole.
    »Was ist mit den Notunterkünften? Da können wir schlafen, wenn es draußen zehn Grad minus hat. Wie viele Notunterkünfte haben Sie unterstützt?«
    Mir fiel keine Lüge ein. »Keine«, sagte
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