Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss
Autoren: Laini Taylor
Vom Netzwerk:
die Hüften, die Haare und die Waden, mit denen sie bedacht worden war. Gleich und gleich gesellt sich gern, schön und schön gesellten sich genauso gern, und die Monster schauten voller Sehnsucht im Herzen von der Raucherecke aus zu.
    Doch in der Mittagszeit erlebte die natürliche Ordnung eine heftige Erschütterung.
    Kizzy traf sich mit Kaktus und Evie an ihrem gewohnten Platz hinter einer niedrigen Mauer in einer Ecke des Schulhofs, wo aus einem Lüftungsrohr Dampf in die Luft aufstieg und den Zigarettenrauch tarnte. Dort standen sie herum, tranken Cola und aßen platte Sandwiches, die sie von zu Hause mitgebracht hatten. Durch ein Fenster konnten sie die Ecktische der Cafeteria beobachten. Mick Crespains Schoß war leer, und für gewöhnlich hätte Kizzy sofort ihr Phantom darauf geträumt − seine Hände unter ihre Brüste und all das. Nun ja, heute nicht. Mister Boy hatte ihr Phantom von Micks Schoß entführt. Sie fragte sich, ob er auch Sarah Ferris von diesem Platz entführt hatte. Verstohlen zündete sie sich eine Zigarette an, schaute sich um und fragte sich, wo er stecken mochte.
    Er war viel näher, als sie erwartet hatte: Er stand auf der anderen Seite der niedrigen Mauer und sah sie an. Ihre Blicke trafen sich, und sofort leuchtete Kizzys Gesicht wie eine Tomate. Sein Blick fühlte sich an wie eine Berührung, als hätte er ihre Hand ergriffen und seine Finger mit ihren verschlungen. Als würde er durch ihre Augen hindurchstoßen und direkt in ihre Blutbahn eindringen. Ihr Kopf schien vor Hitze zu glühen.
    »Hallo«, sagte er.
    » Hallo , Mister Boy«, hörte sie Kaktus kichernd hinter sich antworten.
    Er wandte sich nicht von Kizzy ab, der äußerst unbehaglich zumute war. Er blickte sie einfach weiter an. Sie musste ein puterrotes Gesicht haben. »Hallo«, murmelte sie.
    »Die Dinger bringen dich noch um«, sagte er und deutete mit den Augen auf ihre Zigarette. Seine Stimme klang tief und schnarrte ein wenig.
    »Ja, also … kann sein«, sagte Kizzy und betrachtete die Zigarette ebenfalls. Ihr Herz trommelte gegen ihre Rippen, während sie nach Worten suchte. »Aber wenigstens werde ich älter aussehen als ich bin, wenn ich sterbe, verrunzelt und ausgetrocknet, und einen anständigen Raucherhusten bekomme ich auch.«
    Er lachte. »So wie du es anpreist, wundert es mich, dass es Leute gibt, die nicht rauchen.«
    Sie war erleichtert, weil sie etwas gesagt hatte, irgendetwas, und ihn nicht nur angestarrt und gestottert hatte. Ihn zum Lachen gebracht zu haben, war ein Bonus, der ihr die Röte nur noch tiefer auf die Wangen trieb. »Mich auch«, gab sie zurück, »und außerdem heißt es doch immer Kauft amerikanisch. Und was ist amerikanischer als Zigaretten?«
    Er legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch. Dabei fiel sein Haar zur Seite und Kizzy sah in beiden Ohren kleine Goldringe glitzern. »Na ja, du weißt schon«, plapperte sie weiter, »Tabakplantagen? So wundervolle amerikanische Traditionen wie Sklaverei?«
    »Aha«, antwortete er unsicher.
    »Hat allerdings nichts mit mir zu tun. Bei meinem Volk wurden höchstens die Kinder als Sklaven gehalten.«
    Er starrte sie verwirrt an und streckte ihr die Hand entgegen. »Darf ich mal?«
    »Was? Die hier?« Mit fragendem Blick reichte Kizzy ihm die Zigarette und schaute zu, wie er sie an die roten, so roten Lippen setzte und den Rauch tief in sich hineinsog. Ihr Bauch bebte leicht, als sie sah, wie sich seine Lippen um die Abdrücke ihres Lippenstifts schlossen. So nah war sie einem Kuss bislang noch nie gekommen. Ein Kuss in Etappen sozusagen. Sie nahm ihre Zigarette zurück, als er sie ihr hinhielt. »Möchtest du eine?«, fragte sie.
    »Nein, danke. Ich teile mir lieber die hier mit dir.«
    Kizzy hörte Evie und Kaktus unterdrückt kichern. Sie sah sich zu ihnen um: Ihre Augen leuchteten belustigt und verwundert. Kizzy wandte sich wieder dem schönen Jungen zu, der eigentlich noch viel hübscher war, als sie beim ersten Hinsehen bemerkt hatte. Sein Gesicht und sein Knochenbau waren so perfekt wie die einer Statue, als hätte ihn ein griechischer Gott liebevoll von eigener Hand als Verkörperung sterblicher Schönheit erschaffen. Mister Boy war ein Kunstwerk . Und diese schrägen Augen verliehen seinem Gesicht einen listigen, fuchsartigen Zug, der Kizzy gefiel. Sehr gefiel.
    Ihre Hand zitterte leicht, als sie an der Zigarette zog und sich bemühte, lässig zu wirken, aber ihr Blick klebte an diesen roten Lippen, während sich ihre eigenen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher