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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss
Autoren: Laini Taylor
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erschnuppert – trotz des Gestanks, den der Ziegenbock verströmte – und in das Fenster ihres Zimmers gespäht. Längst beobachtete er jede ihrer Bewegungen und perfektionierte seine Tarnung.

– ZWEI –
Vergewaltigter Schmetterling
    A m Montag kam ein neuer Junge in Kizzys Schule.
    »Zum Anbeißen«, meinte Evie schwach.
    »Sei gepriesen, oh Gott der knackigen Knaben. Wir danken dir für deine Gaben«, flüsterte Kaktus.
    »Amen«, fügte Kizzy hinzu und konnte den Blick nicht von ihm wenden.
    Sie waren nicht die Einzigen, die ihn anglotzten. Sogar Sarah Ferris reckte den Hals über Mick Crespains Schulter, um besser sehen zu können, wie der Neue von Sankt Pockennarbe den Flur entlanggeführt wurde.
    Er war groß und elegant und hatte breite Schultern, die allerdings nicht übertrieben mit Muskeln bepackt waren. Das flachsblonde Haar lockte sich üppig und ungekämmt bis zum Kragen. Seine Lippen waren so rot wie die Lippen der Engel in den Gemälden aus der Renaissance und auch genauso voll und weich. Die sehr dunklen Augen standen wie bei Elfen ein wenig nach oben schief, und die zarten, bläulichen Ringe zeugten von zu wenig Schlaf, was ihn aussehen ließ – so malte es sich Kizzy aus –, als sei er die ganze Nacht aufgeblieben und habe bei Kerzenlicht mit der Feder Gedichte über eine wunderschöne Frau geschrieben, die aus dem Adelsstand in Armut verfallen und ohne einen Penny am Fieber gestorben war, vielleicht in einer Schneewehe, und natürlich hatte sie einen himmlischen Körper hinterlassen.
    »Was zum Teufel trägt der eigentlich für Klamotten?«, fragte Kaktus und drängte sich in Kizzys romantische Träumereien. »Hat er den Schrank seines Großvaters geplündert?«
    »Entweder das oder er hat einen toten Landstreicher gefleddert«, meinte Evie.
    »Nee.« Kaktus schüttelte entschieden den Kopf. »Die sind von einem alten Knacker. Guck dir nur diese Hosenträger an. Totale Alte-Knacker-Mode.«
    »Gibt es Mode für alte Knacker? So mit Modenschauen und Laufsteg und so?«, grübelte Evie.
    »Ja klar, und der ist gerade vom Laufsteg gesprungen.«
    »Bitte«, sagte Kizzy und betrachtete die eigenartige Tweedhose, die an der Taille weit geschnitten und viel zu kurz war, dafür jedoch von Trägern gehalten wurde. »Dieser Typ könnte ein Bananenblatt und eine Propellermütze tragen, und er würde immer noch umwerfend aussehen.«
    »So gefallen dir die Jungen, was Kiz?«, fragte Kaktus.
    »Oh, ja. Alle meine Jungen. Und dem hier gebe ich ein Bananenblatt und eine Propellermütze und nehme ihn in meinen Jungenharem auf.«
    Evie schnaubte. »Jungenharem! Stellt euch mal vor – wie sich die kleinen Propeller drehen, während sie dir mit Palmwedeln Luft zufächern.«
    »Und mir alle Wünsche von den Augen ablesen«, fügte Kaktus hinzu.
    Kizzy grunzte. »Vergesst es. Ich verleih meine Jungen nicht.«
    »Komm schon, geizige Sklavenhalter kann niemand leiden.«
    »Meine Jungs sind keine Sklaven! Sie bleiben freiwillig bei mir. Ich besorge ihnen so viel Elchfleisch, wie sie essen können. Und einen Nintendo, damit ihre Daumen schön beweglich bleiben.«
    »Irrsinn«, sagte Evie und lachte. Sie lehnten an ihren Schließfächern und schauten dem Neuen hinterher, bis er außer Sicht war. Gerade als er mit Sankt Pockennase um die Ecke bog, blickte er über die Schulter zurück. Kizzy überlief ein Schauer. Eine Sekunde lang bildete sie sich ein, er habe ihr in die Augen gesehen. Sie errötete, obwohl sie sicher war, sich getäuscht zu haben. Wenn sie mit anderen zusammenstand, fiel sie Jungen niemals auf. Und selbst dann nicht, wenn sie ganz allein dastand. Die Kerle schauten einfach über sie hinweg oder hielten den Blick starr auf etwas Faszinierendes in der Ferne gerichtet.
    »Ich frage mich, wie er wohl heißt?«, murmelte sie, nachdem er verschwunden war.
    »Bezaubernder Boy, großes B, großes B«, sagte Kaktus und seufzte. »Na ja, für solche wie uns einfach Mister Boy.«
    »Ja«, sagte Kizzy wehmütig. »Willkommen auf der Sankt-Pockennarbe-Oberschule für Kannibalen, Mr Boy.«
    Sie ging in ihre Klasse und überlegte, wie lange es wohl dauern würde, bis irgendein langbeiniges Mädchen auf seinem Schoß sitzen, seine Hosenträger schnappen lassen und ihm das seidige Haar verwuscheln würde. Vermutlich bis Mittag. Jenny Glass war gerade solo, sie würde also die Glückliche sein. Das entsprach eben der natürlichen Ordnung der Dinge, stellte Kizzy verbittert fest und dachte an ihr eigenes Leben − an
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