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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler
Autoren: Frederick Forsyth
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abhängig – werden, wäre es sicher nur eine Frage der Zeit, und zwar einer kurzen Zeitspanne, bis die DDR , Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn und sogar Rumänien dem Zugriff des kapitalistischen Lagers anheimfielen. Von Kuba ganz zu schweigen.
    SCHLUSSFOLGERUNGEN …
    Marschall Koslow blickte hoch und auf die Uhr an der Wand. 11   Uhr. Die Zeremonie draußen auf dem Flughafen mußte in Kürze beginnen. Er hatte es vorgezogen, ihr fernzubleiben, da er keine Lust hatte, um Amerikaner herumzuscharwenzeln. Er streckte sich, stand auf und ging wieder ans Fenster, den Kaminsky-Bericht in der Hand, der – noch immer – den Vermerk STRENG GEHEIM trug, und Koslow wußte jetzt, daß es dabei bleiben mußte. Das Papier barg viel zuviel Zündstoff, als daß er es im Gebäude des Generalstabs zirkulieren lassen durfte.
    In früheren Zeiten hätte ein Stabsoffizier, der so freimütig schrieb wie Kaminsky, seine Karriere in Mikronen messen können, doch Iwan Koslow, obwohl auf beinahe jedem Gebiet ein hartgesottener Traditionalist, hatte Offenheit noch nie bestraft. Diese Offenheit war so ungefähr das einzige, was er auch am Generalsekretär zu schätzen wußte; obwohl er für dessen neumodische Ideen, den Bauern Fernsehapparate und den Hausfrauen Waschmaschinen zu geben, nichts übrig hatte, mußte er einräumen, daß man vor Michail Gorbatschow frei heraus sprechen konnte, ohne daß man eine einfache Fahrkarte nach Jakutien verpaßt bekam.
    Der Bericht war ein Schock für ihn gewesen. Er hatte zwar gewußt, daß die Wirtschaft des Landes seit Einführung der Perestrojka nicht besser funktionierte als vorher, doch als Soldat hatte er seine Tage innerhalb der geschlossenen Gesellschaft der militärischen Hierarchie verbracht, und das Militär hatte von jeher vorrangigen Anspruch auf Ressourcen, Versorgungsgüter und Technologien gehabt und war so der einzige Bereich in der Sowjetunion gewesen, wo eine Qualitätskontrolle praktiziert werden konnte. Daß die Haartrockner für die Zivilbevölkerung lebensgefährlich und die Schuhe undicht waren, hatte Koslow wenig gekümmert. Aber jetzt war eine Krise eingetreten, von der nicht einmal das Militär verschont bleiben konnte. Er wußte, das dicke Ende des Berichts lag in den Schlußfolgerungen. Am Fenster stehend, nahm er die Lektüre wieder auf.
    SCHLUSSFOLGERUNGEN : Die Aussichten, die sich uns bieten, nur vier an der Zahl, sind äußerst düster.
    1. Wir können unsere Ölproduktion auf der gegenwärtigen Höhe halten, in der Gewißheit, daß die Quellen in spätestens acht Jahren versiegen werden, und wir dann auf dem Weltmarkt als Käufer auftreten müssen. Das würde im ungünstigsten, nämlich in dem Augenblick geschehen, da die globalen Ölpreise ihren unvermeidlichen, gnadenlosen Anstieg beginnen und eine nie gekannte Höhe erreichen werden.
    Unter diesen Bedingungen durch Käufe auch nur einen Teil unseres Bedarfs zu decken, würde unsere gesamten Reserven an Hartwährungen sowie die Einnahmen aus den Verkäufen von Gold und Diamanten aus Sibirien aufzehren. Für die notwendigen Importe von Getreide und Hochtechnologie, dem eigentlichen Rückgrat der vom Politbüro mit solcher Vehemenz betriebenen industriellen Modernisierung, würde nichts übrigbleiben.
    Auch Kompensationsgeschäfte könnten unsere Situation nicht erleichtern. Mehr als fünfundfünfzig Prozent der Weltreserven an Erdöl befinden sich in fünf Ländern des Nahen Ostens und in der Neutralen Zone, deren Eigenbedarf in Relation zu ihren Ressourcen verschwindend gering ist, und diese Staaten werden schon bald wieder am Drücker sein. Da, abgesehen von Waffen und einigen Rohstoffen, sowjetische Produkte im Nahen Osten nicht gefragt sind, können wir auf Tauschgeschäfte zur Deckung unseres Ölbedarfs nicht hoffen. Wir werden mit harter Währung zahlen müssen, und dazu sind wir nicht in der Lage.
    Schließlich ist das strategische Risiko einer Abhängigkeit von ausländischen Ölzufuhren zu bedenken, vor allem angesichts der Regime in den in Frage kommenden fünf nahöstlichen Staaten und ihrer bisherigen Politik.
    2. Wir könnten unsere bestehenden Produktionsanlagen technisch verbessern und auf den neuesten Stand bringen, um eine höhere Effizienz zu erzielen und damit den Verbrauch zu senken, ohne Verzicht leisten zu müssen. Unsere Produktionsanlagen sind veraltet, in einem sehr schlechten Allgemeinzustand, und das Gewinnungspotential unserer großen Ölfelder wird laufend durch eine überhöhte
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