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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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erobert haben.«
    Sie senkte erneut die Stimme. »Yvonne Printemps ist mit Pierre Freynay hier, aber anscheinend ist sie wieder mal auf dem Kriegspfad, also nehmen Sie sich in Acht.« Sie sprach von einem berühmten Musical-Star. »Und Coco Chanel ist mit ihrem neuen Liebhaber da, diesem Deutschen, mit dem sie im Ritz wohnt. Sie zieht wieder mal über die Juden her ... das wird allmählich langweilig.«
    Eigen nahm sich eine Champagnerflöte von dem Silbertablett, das ihm ein livrierter Diener anbot. Er sah sich in dem großen Ballsaal mit seinem alten Parkettboden, der aus einem großen château stammte, seinen weiß-golden getäfelten Wänden, an denen in regelmäßigen Abständen Gobelins hingen, und dem dramatischen Deckengemälde um, das von demselben Künstler stammte, der später die Decken von Versailles ausgemalt hatte.
    Aber die Ausgestaltung des Saals interessierte ihn weniger als die Gäste. Als sein Blick über die Anwesenden hinwegglitt, erkannte er ziemlich viele Leute. Darunter die üblichen Berühmtheiten: die Sängerin Edith Piaf, die für jedes Konzert zwanzigtausend Franc bekam, Maurice Chevalier und alle möglichen Filmstars, die jetzt bei der von Goebbels geleiteten deutschen Filmgesellschaft Continental unter Vertrag standen und Filme drehten, die den Deutschen genehm waren. Die übliche Ansammlung von Schriftstellern, Malern und Musikern, die keine dieser seltenen Gelegenheiten ausließen, nach Herzenslust zu schlemmen und zu trinken. Und die üblichen französischen und deutschen Bankiers und Industriellen, die Geschäfte mit den Nazis und ihrem Marionettenregime in Vichy machten.
    Zuletzt gab es die deutschen Offiziere, die heutzutage aus dem Leben der Pariser Gesellschaft nicht mehr wegzudenken waren. Alle waren im kleinen Gesellschaftsanzug erschienen; viele trugen ein Monokel und hatten schmale Schnurrbärte wie ihr Führer. General Otto von Stülpnagel, der deutsche Militärgouverneur. Otto Abetz, der deutsche Botschafter in Frankreich, mit seiner jungen französischen Gattin. Der ältliche General Ernst von Schaumburg, Kommandant von Groß-Paris, der wegen seines Bürstenhaarschnitts und seiner preußischen Manieren als rocher de bronze bekannt war.
    Eigen kannte sie alle. Er traf sie regelmäßig in Salons wie diesem, aber noch wichtiger war, dass er den meisten von ihnen schon so manchen Dienst erwiesen hatte. Die deutschen Herrscher über Frankreich tolerierten den so genannten schwarzen Markt nicht nur - sie brauchten ihn wie alle anderen Menschen auch. Wie sollten sie sonst Cold Cream oder Gesichtspuder für ihre Frauen oder Geliebten bekommen? Wo sonst gab es eine Flasche anständigen Armagnacs? Selbst die neuen Herren Frankreichs litten unter kriegsbedingten Entbehrungen.
    Deshalb war ein Schwarzmarkthändler wie Daniel Eigen immer gefragt.
    Er spürte eine Hand auf seinem Arm und erkannte sofort die mit Diamanten besetzten Finger seiner ehemaligen Geliebten Agnès Vieillard. Obwohl ihn ein kalter Schauer durchlief, drehte er sich um und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Sie hatten sich seit Monaten nicht mehr gesehen.
    Agnès war eine zierliche, attraktive Frau mit leuchtend roter Mähne, deren Ehemann Didier ein erfolgreicher Unternehmer, Munitionsfabrikant und Rennstallbesitzer war. Kennen gelernt hatte Daniel die bildhübsche, aber ein bisschen nymphomanische Agnès auf dem Rennplatz Longchamp, wo sie eine eigene Loge hatte. Sie hatte sich dem gut aussehenden, reichen Argentinier als »Kriegerwitwe« vorgestellt. Ihr Mann war damals in Vichy, wo er die Marionettenregierung beriet. Ihre Affäre - leidenschaftlich, aber kurz - hatte bis zur Rückkehr ihres Mannes nach Paris angedauert.
    »Agnès, ma cherie! Wo hast du gesteckt?«
    »Wo ich gesteckt habe? Ich habe dich seit dem Abend im Maxim's nicht mehr gesehen.« Sie wiegte sich kaum merklich im Takt des Songs »Imagination«, den das Orchester leicht verjazzt spielte.
    »Ah, das weiß ich noch gut«, sagte Daniel, der sich kaum daran erinnern konnte. »Ich hatte schrecklich viel zu tun ... Entschuldigung.«
    »Viel zu tun? Du hast doch gar keinen Job, Daniel«, sagte sie vorwurfsvoll.
    »Nun, mein Vater wollte immer, dass ich mir eine nützliche Beschäftigung suche. Aber wie soll ich das machen in einem besetzten Land?«
    Agnès machte kopfschüttelnd ein finsteres Gesicht und versuchte, ihr unwillkürliches Lächeln zu verbergen. Sie sprach ihm ins Ohr. »Didier ist wieder mal in Vichy. Und auf dieser Gesellschaft
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