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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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Avenuen, wirkte windgepeitscht und öde.
    Mit einer einzigen Ausnahme.
    Ein hôtel particulier, eine Privatvilla, lag in hellstem Lichterglanz. Aus seinem Inneren drang leise Musik: ein Orchester, das Swing spielte. Das Klirren von Porzellan und Kristall, heitere Stimmen, sorgloses Lachen. Dies war eine Insel der glitzernden Privilegien, und sie wirkte vor dem düsteren Hintergrund umso strahlender.
    Das Hotel du Châtelet war das luxuriöse Domizil von Comte Maurice Leon Philippe du Châtelet und seiner Gattin, der legendären, umschwärmten Gastgeberin Marie-Hélène. Der Comte du Châtelet war nicht nur ein ungeheuer reicher Industrieller, sondern auch ein Minister der mit den Deutschen kollaborierenden Vichy-Regierung. Vor allem war er jedoch für seine Abendgesellschaften bekannt, die mit dazu beitrugen, tout Paris über die trüben Tage der Besatzungszeit hinwegzuhelfen.
    Eine Einladung zu einer Gesellschaft im Hotel du Châtelet war ein Objekt des sozialen Neides - wochenlang erstrebt, mit Spannung erwartet. Vor allem heutzutage war es wegen der Rationierungen und der Lebensmittelknappheit fast unmöglich, echten Kaffee oder Butter oder Käse zu bekommen, und nur Leute mit sehr guten Verbindungen konnten Fleisch oder Frischgemüse kaufen. Eine Einladung zum Cocktail bei den Châtelets bedeutete eine Gelegenheit, sich richtig satt zu essen. Hier in dieser Luxusvilla wies nichts darauf hin, dass man in einer Stadt lebte, die bittere Not litt.
    Die Party war bereits in vollem Gange, als ein Diener einen weiteren, ungewöhnlich späten Gast eintreten ließ.
    Der neue Gast war ein blendend aussehender junger Mann Ende zwanzig mit schwarzer Mähne, großen braunen Augen, die schalkhaft zu blitzen schienen, und einer Adlernase. Er war groß und breitschultrig, dabei aber sportlich schlank. Als er dem Butler seinen Mantel gab, nickte er lächelnd und sagte: » Bonsoir, Patrick, merci beaucoup. «
    Er hieß Daniel Eigen, lebte seit etwa einem Jahr mehr oder weniger ständig in Paris und gehörte zu den Stammgästen von Partys in besten Kreisen, in denen er allgemein als reicher Argentinier und höchst begehrenswerter Junggeselle bekannt war.
    »Ah, Daniel, mon cheri«, gurrte Marie-Hélène du Châtelet, die Gastgeberin, als Eigen den überfüllten Ballsaal betrat. Das Orchester spielte einen neuen Song, den er als »How High the Moon« erkannte. Die Comtesse du Châtelet hatte ihn quer durch den halben Saal entdeckt und begrüßte ihn jetzt mit dem Überschwang, den sie normalerweise für sehr reiche oder sehr mächtige Leute reservierte - beispielsweise für den Herzog und die Herzogin von Windsor oder den deutschen Militärgouverneur von Paris. Die Gastgeberin, eine attraktive Frau Anfang fünfzig, deren tief dekolletiertes schwarzes Abendkleid von Balenciaga viel von ihrem üppigen Busen sehen ließ, war offensichtlich in ihren jungen Gast vernarrt.
    Als Daniel Eigen sie auf beide Wangen küsste, zog sie ihn einen Augenblick an sich und sagte auf Französisch mit halblauter, selbstbewusster Stimme: »Ich bin so froh, dass Sie kommen konnten, mein Lieber. Ich hatte schon Angst, Sie würden nicht aufkreuzen.«
    »Und eine Gesellschaft im Hotel du Châtelet versäumen?«, fragte Eigen. »Halten Sie mich für übergeschnappt?« Er hielt eine in Goldpapier gewickelte kleine Schachtel hoch, die er hinter seinem Rücken versteckt gehalten hatte. »Für Sie, Madame. Der letzte in ganz Frankreich erhältliche Flakon.«
    Die Gastgeberin strahlte, als sie die Schachtel entgegennahm, hastig das Goldpapier abriss und einen quadratischen Kristallflakon mit einem Parfüm von Guerlain herauszog. Ihr stockte der Atem. »Aber ... aber Vol de Nuit gibt es nirgends mehr zu kaufen!«
    »Sie haben Recht«, sagte Eigen lächelnd. »Zu kaufen gibt's das nirgends.«
    »Daniel! Sie sind zu liebenswürdig, zu aufmerksam! Woher wussten Sie, dass das mein Lieblingsparfüm ist?«
    Er zuckte bescheiden mit den Schultern. »Ich habe meinen eigenen Nachrichtendienst.«
    Madame du Châtelet runzelte die Stirn, dann drohte sie ihm scherzhaft mit dem Finger. »Und das nach allem, was Sie getan haben, um uns den Dom Pérignon zu besorgen. Sie sind wirklich zu großzügig. Jedenfalls bin ich froh, dass Sie hier sind -blendend aussehende junge Männer wie Sie muss man heutzutage mit der Lupe suchen, cheri. Sie werden einigen meiner weiblichen Gäste verzeihen müssen, wenn sie unverzüglich in Ohnmacht fallen. Das sind dann die, die Sie noch nicht
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