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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
Autoren: Shana Abé
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sicheres Auftreten, war muskulös und ebenso groß wie ihr Vater. Joan und Audrey hatten Lia in der Kinderstube jahrelang damit wachgehalten, dass sie sich kichernd nur seinen Namen zugeraunt hatten, bis Lia schließlich alt genug geworden war, um zu verstehen, warum.
    Deshalb. Wegen seiner Hände, die so stark und sonnengebräunt waren. Seine Finger, die sanft auf die hölzerne Armlehne des Stuhles klopften, in einem leichtläufigen, gleichmäßigen Rhythmus, der die wölfische Achtsamkeit in seinem Blick Lügen strafte. Wegen seines Kiefers und seiner
Brauen und wegen des wunderschönen Schwungs seines Mundes. Wegen der Art und Weise, wie er seine Beine ausstreckte, die Füße übereinanderlegte und seine dunklen Wimpern hob, um sie unverwandt anzuschauen - und sie war gebannt wie ein Reh unter diesen klaren, gelben Blicken eines Drachen.
    Die Flammen der Lampen rauchten ölig schwarz. Draußen vor der Fensterläden murmelte der Westwind sein sanftes Lied.
    Sie erinnerte sich an ihre blinden Träume von ihm, erinnerte sich an die Liebkosungen seiner Stimme.
    »Verzeih mir, wenn ich deine Begutachtung meines Halstuches störe«, sagte er, nun in einem gänzlich anderen Tonfall. »Ohne Zweifel ist es mit allen möglichen faszinierenden Flecken verziert, da ich die gesamten letzten zwei Tage und Nächte draußen gewesen bin, wo ich jedes Gasthaus, jede Taverne und jeden Kutschplatz nach einer gedankenlosen, unberechenbaren jungen Dame durchkämmt habe. Ich gestehe, dass mich dieses dauernde Schweigen eine Spur ungeduldig macht. Würdest du mir bitte verraten, was dich in mein Wohnzimmer geführt hat?«
    Lia blinzelte. »Du … Du hast nach mir gesucht?«
    »Dein Vater schien das für nötig zu halten.«
    »Oh.«
    »Ja. Oh «, wiederholte er, und dieses Mal klang seine Stimme eindeutig höhnisch.
    Sie holte Luft. »Wenn ich dir etwas verrate, versprichst du mir, es niemand anderem gegenüber zu erwähnen?«
    »Nein«, antwortete er barsch.
    »Was, wenn es wichtig ist?«
    »In diesem Fall umso mehr: nein!«, entgegnete er. Dann
beugte er sich vor, um seine Ellbogen auf die Knie zu stützen: »Sieh mal, wenn es etwas so Beunruhigendes ist, dass du es deinen Eltern nicht sagen kannst, dann will ich damit nichts zu tun haben. Ich schätze diese Art von Schwierigkeiten nicht. Verzeih mir, mein Herz. Aber so liegen die Dinge nun mal.«
    »Und was ist mit heute Nacht, mein Herz?«
    »Glaubst du«, fragte sie vorsichtig, »dass es möglich ist, die … die Zukunft vorherzusagen?«
    Seine Augen wurden schmal. »Meinst du so etwas wie Jahrmarktswahrsager?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Oder Träume.«
    »Sicher.«
    »Du glaubst daran?«
    »Ja. Tatsächlich bezahle ich einen Wahrsager, der dir die Runen lesen und eine Zukunft verheißen würde, die so prächtig ist, wie du es dir nur wünschst - besonders, wenn du so entgegenkommend bist, deine Handtasche unbeaufsichtigt zu lassen.«
    »Ich habe keinen Scherz gemacht.«
    »Ich auch nicht. Er ist verdammt gut in seinem Geschäft. Und ist nur zweimal geschnappt worden. Das ist ein weitaus besserer Schnitt als bei den meisten meiner Burschen.« Dann fügte er mit sanfter Stimme hinzu: »Aber ich schätze, er kann die Schutzleute sehen, kurz bevor sie um die Ecke biegen.«
    Lia lief über den Teppich und blieb vor ihm stehen. Sie fühlte sich ruhig und erleichtert nach all den Tagen der Sorge, der Hitze und der Furcht, in denen dieses armselige Exemplar einer Kutsche sie in den Schlaf gewiegt und wieder herausgerissen hatte, während ihr der Gestank von
Menschen und altem Pferdehaar in der Nase gehangen hatte. Sie spürte, wie sich ein dünner Faden aus ihrer Traumexistenz, sanft und zugleich rätselhaft, in ihren Adern ausbreitete.
    Zane saß noch immer auf seinem Stuhl, derweil sie sich vorbeugte und ihre Lippen auf die seinen presste.
    Als sie sich wieder löste, glänzten seine Augen weniger freundlich.
    »Ganz annehmbar«, sagte er kühl. »Es steht dir frei, es in vielleicht zehn Jahren noch einmal zu versuchen. Und bis dahin verschwende nicht meine Zeit.«
    »O mein Liebster«, ertönte eine helle, weibliche Stimme. »Störe ich dich?«
    »Nicht im Geringsten.« Zane erhob sich von seinem Stuhl. Lia war gezwungen, einen Schritt zurückzutreten. In der Tür zum Wohnzimmer stand eine Frau in einem Mantel und mit übergeworfener Kapuze, und dort, wo sich der Stoff teilte, waren ein Rock in taubengrauer Seide und ein mit Mondsteinen besetztes Mieder zu erkennen.
    Mit einer
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