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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee
Autoren: Susanne Mischke
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mit Oda ausgekommen ist, der Gedanke, ihrer Kettenraucherei künftig zu
entgehen, hat auch etwas Verlockendes.
    Fernando hat Oda während der letzten drei Jahre nicht ein einziges
Mal im Rock oder in bunter Kleidung gesehen. Sie scheint ausschließlich
schwarze Pullover und schwarze Hosen zu besitzen. Das einzig Farbige an ihr
sind die dunkelroten Lippen und die blaugrünen Augen. Selbst das hellblonde
Haar wirkt farblos, vielleicht, weil es konsequent und ohne eine verspielte
Strähne nach hinten gekämmt ist, wo es einen strengen Knoten bildet.
    Â»Wie wär’s mit einem Blumensträußchen?«
    Â»Ist das nötig?«, fragt Fernando verunsichert.
    Oda nickt mit todernster Miene.
    Fernando winkt ab. Immer wieder geht er Oda auf den Leim. »Meinst
du, ich kann die Fahne da hängen lassen?« Er deutet mit einer Kopfbewegung auf
die überdimensionale Hannover-96-Fahne,
die die halbe Wand hinter seinem Schreibtisch einnimmt.
    Â»Nicht, wenn sie absteigen.«
    Â»Wo denkst du hin? Die schaffen es diese Saison in den UEFA-Cup.«
    Â»Deswegen haben sie auch letztes Wochenende gegen Stuttgart
verloren. Mit diesem Trotteltor werden sie in die Geschichte eingehen.«
    Â»Du bist ein Ekel!«, stellt Fernando fest.
    Oda wirft ihrem Kollegen eine Kusshand zu.
    Der streicht sich durch seine schwarzen Locken, die für Odas
Geschmack immer eine Spur zu ölig glänzen.
    Â»Was ist das eigentlich für ein Gestank hier?«, will Oda wissen.
»Ich komm mir vor wie im Ashram.«
    Â»Räucherstäbchen. Das Büro riecht ja sonst wie die Havanna-Lounge.«
    Â»Ja, ja, der Zeitgeist meint es nicht gut mit uns Rauchern«, seufzt
Oda und macht Anstalten, sich einen Zigarillo anzuzünden.
    Â»Wag es ja nicht! Was willst du eigentlich hier?«
    Â»Die Neue anschauen. Aber wahrscheinlich ist sie noch mit Völxen auf
Vorstellungstour.«
    Â»Alexa Julia Wedekin. AYger
Name, was?«
    Â»Dafür kann sie ja nichts.«
    Ehe das weiter ausdiskutiert werden kann, nähert sich Hauptkommissar
Völxen mit seinem charakteristischen wiegenden Gang. An seinem linken Hosenbein
klemmt eine Fahrradklammer. Ihm folgt eine junge Frau in schwarzen Jeans und
einer weißen Bluse. Sie ist etwa einen Meter siebzig groß und wirkt schlank,
besonders im Kontrast zu Völxens kompakter Silhouette.
    Â»Guten Morgen, allerseits«, wünscht der Dezernatsleiter.
    Oda und Fernando erwidern den Gruß. Oda deutet dezent auf ihr Kinn,
woraufhin sich Völxen rasch einen Papierfetzen aus dem Gesicht wischt. Der
Kommissar rasiert sich seit dreißig Jahren aus sentimentalen Gründen mit dem
Rasiermesser seines Großvaters. Für gewöhnlich werden die blutstillenden
Klopapierfetzen fortgeweht, wenn Völxen zur S-Bahn radelt, aber manche
bleiben mitunter hartnäckig kleben und schaffen es bis zur Dienststelle.
    Â»Darf ich vorstellen: Hauptkommissarin Kristensen, Oberkommissar
Rodriguez – und das ist Frau Wedekin, unsere neue Kommissarin.«
    Mahagonibraunes Haar umrahmt ein schmales Gesicht mit
bernsteinfarbenen Katzenaugen. Unter dem linken Wangenknochen ist eine kleine,
halbmondförmige Narbe sichtbar.
    Ganz apart, aber nicht sein Typ, stellt Fernando mit Kennerblick und
Erleichterung fest. Er hatte in dieser Hinsicht einige Bedenken gehabt, denn
wie soll man sich auf die Arbeit konzentrieren, wenn einem eine zu
verführerische Frau gegenübersitzt, und das jeden Tag? Diese Wedekin sieht noch
jünger aus als die sechsundzwanzig Jahre, die in ihrer Personalakte stehen.
Edeltraut Cebulla hat ihm dieses Sekretärinnengeheimnis verraten.
    Â»Willkommen«, sagt Oda, und auf ihrem Gesicht erscheint plötzlich
jenes warme Lächeln, das man ihren strengen Zügen nie zutrauen würde und mit
dem sie andere stets dazu bringt, ihr viel mehr zu erzählen, als sie eigentlich
wollen.
    Â»Ja, willkommen«, wiederholt Fernando artig. »Das ist Ihr – äh,
unser Büro.«
    Er macht eine einladende Geste, aber die Neue rührt sich nicht vom
Fleck. Worauf wartet sie? Dass ich sie über die Schwelle trage?
    Â»Das Büro könnt ihr später begutachten«, sagt Völxen und fängt
plötzlich an zu schnüffeln. »Was riecht hier eigentlich so? Na, egal. Wir haben
einen obskuren Fund auf dem Friedhof Stöcken. Fernando, ich möchte, dass du dir
das ansiehst. Und nimm Frau Wedekin gleich mit.«
    Â»Um was geht es
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