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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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es so etwas geworden. Und dann war da das Baby, Angela, sein Töchterchen, sein Liebling. Angela liebte ihn auch sehr. So sehr ein Kind und ein Teenager, der sie inzwischen war, eben ihren Papi lieben konnte. Besonders wenn er ihr schöne Sachen schenkte und ihre Wünsche erfüllte.
    Der alte Hübner hatte die Firma an seine Tochter Lucie vererbt und seine Enkelin Angela zur Nacherbin bestimmt. Richard Hornung war draußen. Offiziell jedenfalls.
    Aber schließlich leitete er die Firma. Unter Anwendung seines modernen Konzeptes hatte er ihr zu neuem Gewicht verholfen. Er hatte Marktlücken erspäht, die von den Giganten auf dem Stahlsektor nicht ausgefüllt wurden. Nischenprodukte, für die ›Hübner Stahl‹ inzwischen bekannt war.
    Richard kam an diesem Abend gegen sieben Uhr aus der Firma nach Hause. Er ließ seinen leitenden Angestellten viel Spielraum für Entscheidungen, deshalb lief der Laden so gut.
    »Sie haben die Verantwortung. Ich setze auf Ihre Erfahrung und auf Ihre Fähigkeiten«, sagte er stets. Wenn einer einen Fehler machte, sprach er ruhig mit ihm.
    »Ich weiß, daß dies ein Ansporn für Sie ist. Kommt eben nicht wieder vor, nicht wahr? Auch mir passiert mal ein Fehler. Wir werden das Malheur jetzt nach Kräften ausbügeln, mein lieber …«
    Und Rüdiger Schmidt, Hans Windung oder der gute alte Scheibner entfernten sich erleichtert und total motiviert. Sie mochten ihren Chef zwar nicht direkt, aber sie schätzten seine Führungsqualitäten. Das genügte vollauf.
    Richard öffnete das Garagentor vom Auto aus mit der Fernbedienung. Als er dann die Villa betrat, stellte sich das vertraute Wohlgefühl ein. Es war sein Haus. Lucie und er hatten es erst vor rund zehn Jahren bezogen. Zwei Jahre nach dem Tod des Alten. Er hatte es einfach nicht länger ausgehalten in dessen lausigem Protzkasten, der so gar nichts mit ihm zu tun hatte.
    Alles hatte dort den Stempel des Schwiegervaters getragen. Hier dagegen zeugte jeder Winkel von Luxus und Geschmack. Und von seiner besonderen Fähigkeit, Wünsche und Ideen in die Tat umzusetzen.
    Seine Frau kam ihm in der Diele entgegen. Lucie, in einem weißen Wollkleid, die großen Naturperlen in den Ohren, eine kühle und elegante Frau. Eisfee. Selbst in ihrer Stimme klirrten Eiskristalle.
    Sie küßten sich leicht auf den Mund. Lucie betrachtete ihren Mann forschend. Einen Augenblick lang fürchtete er, sie könnte ihm sein Abenteuer ansehen, den Geruch der fremden Frau wahrnehmen oder eine Veränderung seiner Ausstrahlung wittern. Aber sie fragte: »Wie war Berlin? Anstrengend natürlich. Hast du erreicht, was du wolltest? Du siehst aus, als ob du ein Bad und einen Whisky brauchst.«
    »Du hast mal wieder recht. Fangen wir mit dem Whisky an? Bei Tisch berichte ich dann in aller Ruhe. Wo steckt Angela?«
    »Sie übernachtet heute bei Claudia. Ganz dicke Freundschaft im Moment.«
    »Bist du sicher, daß Claudia sich bei näherem Hinsehen nicht als Claudius entpuppt?«
    »Sicher kann man nie sein. Ich kenne Claudia zwar, aber vielleicht wird sie nur vorgeschoben. Andererseits wissen wir, daß Angela ein recht vernünftiges Mädchen ist. Sie haben ein distanziertes Verhältnis zum Sex heutzutage. Du weißt doch: Schon als Kind, mit sieben etwa, konnte sie aus Knete einen kleinen Penis formen. Wir waren damals regelrecht erschrocken.«
    »Wirklich? Ja, wenn ich jetzt überlege … ich hatte es wohl verdrängt. Eltern sehen ihre Kinder ungern als sexuell gesteuerte Wesen, nicht wahr?«
    »Sie beherrschen die Theorie, nicht die Praxis.«
    Richard nickte.
    Lucie hatte zu Anfang ihrer Ehe ebenfalls die Theorie beherrscht und die Praxis bei ihm erlernen wollen.
    »Ich bin noch Jungfrau. Du mußt mir alles beibringen, Richard!«
    Er war erstaunt gewesen, wie wißbegierig, unbefangen und unersättlich sie anfangs gewesen war. Und so jung. Es hatte aufgehört, als sie schwanger wurde. Ihre ehelichen Zärtlichkeiten hatten sich friedlich eingependelt.
    Richard duschte und kleidete sich in seinem Schlafzimmer an: weißes Hemd, Weste im Paisley-Muster, bequeme graue Hose. Schwarze Socken zu schwarzen Slippern und selbstverständlich ein schwarzer Ledergürtel. Schuhe und Gürtel sollten immer in der Farbe zueinander passen. Das hatte ihm sein Lieblingsprofessor vorgelebt. Er hatte ihn kopiert, wo es nur möglich war. Und immer noch fragte er sich in brenzlichen Situationen, was den Benimm anbelangte: Wie hätte Prof. Wilke jetzt reagiert?
    Duschen und Umkleiden nach der Arbeit
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