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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz
Autoren: Peter Tremayne
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ihr den Namen gab. Lios Mhór stand am Ufer des ansehnlichen Flusses, der einfach Abhainn Mór, »der große Fluß«, genannt wurde, südlich von Cashel im Königreich Muman.
    Der Sekretär der Abtei, der als Gerichtsschreiber fungierte und die Verhandlungen protokollierte, blieb stehen, als Fidelma und die anderen sich setzten. Er hatte eine melancholische Stimme und würde, dachte Fidelma, sich als berufsmäßiger Totenkläger sehr gut machen.
    »Die Verhandlung ist hiermit eröffnet. Die Klage von Archú, Sohn der Suanach, gegen Muadnat vom Schwarzen Moor wird fortgesetzt.«
    Er ließ sich nieder und warf Fidelma einen erwartungsvollen Blick zu. In der Hand hielt er seinen Schreibgriffel, denn das Protokoll wurde zunächst auf feuchten Ton in einem Holzrahmen geschrieben und nach Beendigung der Gerichtssitzungen auf das dauerhaftere Pergament übertragen.
    Fidelma saß hinter einem großen reichgeschnitzten Eichentisch, auf dem ihre Hände mit den Flächen nach unten ruhten. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und sah die Beteiligten auf den Bänken vor ihr fest an.
    »Archú und Muadnat, bitte tretet vor und stellt euch vor mir auf.«
    Ein junger Mann erhob sich eilig. Er war gerade erst siebzehn Jahre alt und kam mit eifriger Miene nach vorn, wie ein Hund, dachte Fidelma, der eine Gunst von seinem Herrn erbetteln will. Der andere Mann stand in mittlerem Alter und hätte fast der Vater des Jungen sein können. Er hatte ein ernstes Gesicht und machte eine beinahe finstere Miene. Von Humor war bei ihm wenig zu spüren.
    »Ich habe mir die Argumente angehört, die in diesem Fall vorgebracht wurden«, begann Fidelma und blickte von einem zum anderen. »Ich möchte sehen, ob ich die Tatsachen gerecht formulieren kann. Du, Archú, hast gerade die Volljährigkeit erreicht, das Alter der Entscheidung. Ist das richtig?«
    Der Jüngling nickte. Siebzehn Jahre war das Alter, in dem nach dem Gesetz ein Junge ein Mann wurde und seine eigenen Entscheidungen treffen konnte.
    »Du bist das einzige Kind von Suanach, die vor einem Jahr starb? Suanach war die Tochter von Muadnats Onkel?«
    »Sie war die einzige Tochter des Bruders meines Vaters«, bestätigte Muadnat barsch und ungerührt.
    »Ach ja. Dann seid ihr also Vettern?«
    Es gab keine Antwort. Offensichtlich mochten sich die beiden nicht, auch wenn sie verwandt waren.
    »Solche engen Verwandten sollten eigentlich nicht das Gericht bemühen, um ihre Streitigkeiten beizulegen«, ermahnte sie Fidelma. »Besteht ihr immer noch auf einem Urteil dieses Gerichts?«
    Muadnat schnaubte verächtlich.
    »Ich hatte kein Verlangen danach.«
    Der junge Mann errötete vor Zorn.
    »Ich auch nicht. Es wäre weit besser gewesen, wenn mein Vetter getan hätte, was Recht und Moral erfordern, bevor es so weit kam.«
    »Ich bin im Recht«, fuhr Muadnat auf. »Du hast keinen Anspruch auf das Land.«
    Schwester Fidelma zog spöttisch die Brauen hoch.
    »Anscheinend muß nun doch das Gesetz entscheiden, da ihr beide euch nicht einigen könnt. Ihr habt den Fall vor Gericht gebracht, damit es ein Urteil fällt. Das Urteil dieses Gerichts ist dann bindend für euch beide.«
    Sie lehnte sich zurück, faltete die Hände im Schoß und sah beide prüfend an. Zorn stand in ihren erregten Gesichtern.
    »Nun gut«, meinte sie schließlich. »Wenn ich es recht verstanden habe, erbte Suanach Land von ihrem Vater. Verbessert mich, wenn ich mich irre. Später heiratete sie einen Mann von jenseits des Meeres, einen Briten namens Artgal, der als Ausländer keinen Grundbesitz mit in die Ehe bringen konnte.«
    »Einen mittellosen Ausländer!« knurrte Muadnat.
    Fidelma ignorierte ihn.
    »Artgal, Archús Vater, starb vor einigen Jahren. Ist das richtig?«
    »Mein Vater fiel im Kampf gegen die Uí Fidgente, im Dienst des Königs von Cashel«, ergänzte Archú voller Stolz.
    »Als Söldner«, höhnte Muadnat.
    »Dieses Gericht hat nicht die Aufgabe, über die Persönlichkeit Artgals zu befinden«, antwortete Schwester Fidelma spitz. »Es hat nach dem Gesetz zu urteilen. Also Artgal und Suanach hatten geheiratet …«
    »Gegen den Willen ihrer Familie«, warf Muadnat wieder ein.
    »Das habe ich schon gehört«, erwiderte Fidelma ruhig. »Geheiratet haben sie jedenfalls. Nach dem Tode Artgals bewirtschaftete Suanach weiter ihr Land und zog ihren Sohn Archú auf. Vor einem Jahr starb Suanach.«
    »Und dann kam mein sogenannter Vetter und behauptete, das ganze Land gehöre ihm«, berichtete Archú in bitterem
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