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Der Todeskanal

Der Todeskanal

Titel: Der Todeskanal
Autoren: Isaac Asimov
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achten und siebenten Jahrhundert vor Christi. Wissen Sie, was ich meine?«
    Blaustein nickte.
    »Ich sehe, daß Sie sich für Geschichte interessieren.«
    »Warum nicht? Es gibt keinen Grund, warum ich mein Interesse auf die Atomforschung beschränken sollte.«
    »Natürlich nicht. Sprechen Sie bitte weiter.«
    »Zuerst dachte ich, ich könnte mehr über das wahre Wesen der historischen Zyklen erfahren, wenn ich einen Spezialisten zu Rate zöge. Ich hatte einige Unterredungen mit einem Berufshistoriker. Aber das war reine Zeitverschwendung.«
    »Wie hieß der Historiker?«
    »Ist das so wichtig?«
    »Sicher nicht, wenn Sie es lieber für sich behalten wollen. Was sagte er?«
    »Er meinte, daß ich unrecht hätte, daß die Geschichte nur scheinbar in Eruptionen verläuft. Er sagte, daß er nach eingehenden Studien festgestellt hätte, die großen Zivilisationen der Ägypter und Sumerer seien nicht plötzlich aus dem Nichts entstanden, sondern auf der Basis einer sich über lange Zeit hinweg entwickelnden Subzivilisation, die sich bereits in den Künsten ausgedrückt hätte. Er sagt, das perikleische Athen hätte sich auf einem vorperikleischen Athen aufgebaut, ohne das es die perikleische Blütezeit nie gegeben hätte.
    Ich fragte ihn, warum uns dann nichts von einem nachperikleischen Athen bekannt sei, das doch auf einer noch höheren Stufe hätte stehen müssen. Daraufhin erzählte er mir, Athen sei durch eine Seuche und den langen Krieg mit Sparta ruiniert worden. Ich befragte ihn über andere kulturelle Ballungszeiten, und jedesmal war es ein Krieg, der sie beendete. Er war wie all die anderen. Die Wahrheit lag vor ihm. Er hätte sie nur aufgreifen müssen. Aber er tat es nicht.«
    Ralson starrte zu Boden und sagte mit müder Stimme: »Sie kommen manchmal zu mir ins Laboratorium, Doktor. Sie sagen: ›Wie, zum Teufel, können wir den So-und-so-Effekt beseitigen, der all unsere Berechnungen über den Haufen wirft, Ralson?‹ Sie zeigen mir ihre Instrumente und ihre Schaltschemata, und ich sage: »Aber das ist doch sonnenklar. Warum macht ihr es nicht so und so? Das sieht doch jedes Kind.‹ Dann gehe ich davon, denn ich kann es nicht ertragen, die Verwirrung auf ihren stupiden Gesichtern zu sehen. Später kommen sie dann zu mir und sagen: ›Es funktioniert, Ralson. Wie haben Sie das nur herausgefunden?‹ Ich kann es ihnen nicht erklären, Doktor. Es wäre genauso, wie wenn ich erklären müßte warum das Wasser naß ist. Ich konnte es auch nicht dem Historiker erklären. Und ebenso wenig kann ich es Ihnen erklären. Es ist Zeitverschwendung.«
    »Würden Sie jetzt lieber in Ihr Zimmer zurückgehen?«
    »Ja.«
    Blaustein saß noch lange nachdenklich an seinem Schreibtisch, nachdem Ralson hinausgeführt worden war. Automatisch fanden seine Finger ihren Weg in die obere rechte Schublade. Er holte den Brieföffner hervor und spielte damit.
    Schließlich griff er zum Telefon.
    »Hier ist Blaustein. Dr. Ralson hatte vor einiger Zeit eine Unterredung mit einem Historiker. Wahrscheinlich vor etwa einem Jahr. Ich kenne den Namen des Historikers nicht. Ich weiß nicht einmal, ob er in Verbindung mit einer Universität steht. Wenn Sie ihn ausfindig machen könnten, würde ich gern mit ihm sprechen.«
     
    Dr. phil. Thaddeus Milton blickte Blaustein gedankenvoll an und fuhr sich mit der Hand durch das eisengraue Haar.
    »Ich habe tatsächlich mit diesem Mann gesprochen. Aber ich habe sehr wenig Kontakt mit ihm gehabt. Eigentlich keinen außer ein paar Gesprächen über historische Belange.«
    »Wie trat er an Sie heran?«
    »Er schrieb mir einen Brief. Ich weiß nicht, warum er sich mich ausgesucht hat und nicht irgendeinen anderen Historiker. Eine Serie meiner Artikel ist etwa zu dieser Zeit in einem dieser halbwissenschaftlichen Journale mit halbpopulärem Anstrich erschienen. Vielleicht ist er dadurch auf mich aufmerksam geworden.«
    »Ich verstehe. Mit welchen Themen beschäftigten sich Ihre Artikel?«
    »Sie behandelten den Wert der Zyklentheorie in der Geschichte. Das heißt, ich versuchte zu klären, ob man wirklich behaupten kann, daß eine herausragende Zivilisation bestimmten Gesetzen des Wachstums und der Auflösung folgen muß.«
    »Ich habe Toynbee gelesen, Dr. Milton.«
    »Nun, dann wissen Sie ja, was ich meine.«
    »Und in Ihren Gesprächen mit Dr. Ralson ging es um diesen zyklischen Verlauf der Geschichte?«
    »Hm, in gewisser Weise, ja. Natürlich ist der Mann kein Historiker, und einige seiner Bemerkungen
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