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Der Todeskanal

Der Todeskanal

Titel: Der Todeskanal
Autoren: Isaac Asimov
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wenn er derartige Gefühle hatte, so verriet er es seinen Mitarbeitern nicht.«
    »Nein.«
    »Und trotz alldem ist die atomare Forschung notwendig, nicht wahr?«
    »Ich würde sagen, ja.«
    »Was würden Sie machen, Dr. Grant, wenn Sie irgend etwas tun müßten, wozu Sie sich innerlich nicht imstande fühlen?«
    Grant zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Manche Menschen begehen Selbstmord.«
    »Sie meinen, das trifft auf Ralson zu?«
    »Wie kann ich das wissen? Ich werde heute abend mit Dr. Ralson sprechen. Ich kann Ihnen natürlich nichts versprechen, aber ich versichere Ihnen, daß ich Ihnen meine Beobachtungen sofort mitteilen werde.«
    Grant erhob sich.
    »Vielen Dank, Doktor. Ich werde versuchen, die von Ihnen gewünschten Informationen zu erhalten.«
    Elwood Ralsons Aussehen hatte sich in der Woche, die er bis jetzt in Dr. Blausteins Sanatorium verbracht hatte, gebessert. Sein Gesicht war voller geworden, und die Ruhelosigkeit war von ihm gewichen. Er trug keine Krawatte und keinen Hosengürtel, und seine Schuhe hatten keine Schnürsenkel.
    »Wie fühlen Sie sich, Dr. Ralson?« fragte Dr. Blaustein.
    »Erholt.«
    »Werden Sie gut behandelt?«
    »Ich habe keine Klagen, Doktor.«
    Blaustein griff nach dem Brieföffner, mit dem er gern spielte, wenn er über irgend etwas nachdachte. Aber der Brieföffner war verschwunden. Natürlich hatte man ihn entfernt, wie alle anderen Gegenstände mit scharfen Kanten. Nur Papiere lagen auf dem Schreibtisch.
    »Setzen Sie sich, Dr. Ralson«, sagte Blaustein. »Wie steht es mit Ihren Krankheitssymptomen?«
    »Meinen Sie meinen Selbstmordzwang? Es wird schlimmer oder besser, das hängt ganz von meinen Gedanken ab. Ich denke viel nach. Aber mein Wunsch nach Selbstmord begleitet mich auf Schritt und Tritt. Da können auch Sie mir nicht helfen.«
    »Vielleicht haben Sie recht. Es gibt viele Fälle, in denen ich nicht helfen kann. Ich würde gern möglichst viel von Ihnen wissen. Sie sind ein bedeutender Mann …«
    Ralson seufzte.
    »Sind Sie anderer Meinung?« fragte Blaustein.
    »Allerdings. Es gibt keine bedeutenden Männer, genauso wie es keine bedeutenden individuellen Bakterien gibt.«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Das erwarte ich auch nicht von Ihnen.«
    »Und doch scheint mir, daß eine Menge Gedanken hinter Ihrer Bemerkung stehen. Es würde für mich sehr interessant sein, einige dieser Gedanken zu kennen.«
    Zum erstenmal lächelte Ralson. Es war kein angenehmes Lächeln.
    »Es ist amüsant, Sie zu beobachten, Doktor«, sagte er. »Sie üben Ihren Beruf so gewissenhaft aus. Sie hören mir zu, mit diesem gewissen falschen Interesse und dieser öligen Sympathie. Ich könnte Ihnen den größten Blödsinn erzählen, und Sie würden mir trotzdem aufmerksam zuhören, nicht wahr?«
    »Können Sie sich nicht vorstellen, daß mein Interesse echt ist, obwohl es natürlich in erster Linie beruflich ist?«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bin nicht in der Stimmung, darüber zu diskutieren.«
    »Dann gehen Sie doch bitte in Ihr Zimmer zurück.«
    »Das werde ich nicht tun, wenn Sie nichts dagegen haben.« Seine Stimme klang plötzlich zornig, als er sich erhob und sich fast augenblicklich wieder niedersetzte. »Warum sollte ich Sie nicht benützen. Ich rede nicht gern mit den Menschen. Sie sind dumm. Sie merken nichts, Sie starren das Offensichtliche stundenlang an, und es bedeutet nichts für sie. Wenn ich mit ihnen spreche, verstehen sie mich nicht. Sie verlieren die Geduld, oder sie lachen. Aber Sie müssen zuhören. Das ist Ihr Job. Sie können mich nicht unterbrechen und mir sagen, daß ich verrückt bin, auch wenn Sie das vielleicht denken.«
    »Ich bin froh, wenn ich Ihnen zuhören kann. Was immer Sie mir auch erzählen.«
    Ralson holte tief Luft.
    »Ich weiß nun schon seit einem Jahr etwas, das nur sehr wenige Menschen wissen. Vielleicht ist es sogar etwas, das keine lebende Person weiß. Wissen Sie, daß der kulturelle Fortschritt der Menschheit immer in plötzlichen Ballungen auftritt? Im Zeitraum von zwei Generationen kann in einer Stadt von dreißigtausend Einwohnern genug literarisches oder sonstiges künstlerisches Genie entstehen, um das Kulrurbedürfnis einer Millionennation ein Jahrhundert lang zu befriedigen. Ich denke an das Athen des perikleischen Zeitalters.
    Es gibt noch andere Beispiele. Das Florenz der Medicis, das elisabethanische England, das Spanien der Emire von Cordoba. Dann die Sozialreformen der Israeliten im
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