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Der Todeskanal

Der Todeskanal

Titel: Der Todeskanal
Autoren: Isaac Asimov
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fragte: »Hast du niemanden mitgebracht, Olivia?« Ihre Blicke schweiften in der näheren Umgebung umher, um sich dann wieder auf Livvy zu heften.
    »Ich glaube, Dick wird etwas später nachkommen«, sagte Livvy. »Er muß noch etwas erledigen.« Sie spürte selbst, wie fadenscheinig das klang.
    Georgette lächelte süffisant.
    »Nun, Norman ist ja hier. Du wirst dich also nicht einsam fühlen, meine Liebe.«
    Norman schlenderte aus der Küche. Er hielt einen Cocktail-Shaker in der Hand, in dem Eiswürfel klirrten.
    »So, ihr fröhlichen Nachtschwärmer«, rief er, »jetzt werde ich euch etwas ganz Besonderes mixen … Ah, Livvy!«
    Grinsend ging er auf sie zu.
    »Wo versteckst du dich denn in letzter Zeit? Es scheint mir, als hätte ich dich schon seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Was ist denn los? Will Dick dich vor der Männerwelt verbergen?«
    »Füll bitte mein Glas, Norman«, sagte Georgette spitz.
    »Sicher«, sagte er, ohne den Blick von Livvy zu wenden. »Willst du auch mittrinken, Livvy? Warte, ich hol dir ein Glas.« Er wandte sich ab, und da passierte es.
    »Paß auf!« schrie Livvy. Sie sah es kommen, hatte ein vages Gefühl, als sei das alles schon einmal passiert … Sein Schuhabsatz verfing sich im Teppichrand, er stolperte, suchte sein Gleichgewicht wiederzufinden, und der Cocktail-Shaker fiel ihm aus der Hand, und ein halber Liter eiskalter Alkohol tränkte Livvys Kleid von der Schulter bis zum Saum.
    Sie stand mit aufgerissenem Mund da. Die Partygeräusche verstummten. Hilflos sah Livvy an sich herunter, während Norman »Verdammt!« schrie.
    »Zu dumm, Livvy«, sagte Georgette kühl. »Aber das Kleid war sicher nicht besonders teuer.«
    Livvy drehte sich um und rannte davon, ins Schlafzimmer, das leer und verhältnismäßig ruhig war. Im Schein der fransenbehangenen Schirmlampe auf dem Frisiertisch suchte sie nach ihrem Mantel, der zwischen vielen anderen auf dem Bett lag.
    Norman war ihr gefolgt.
    »Hör doch nicht auf sie, Livvy. Es tut mir wirklich schrecklich leid. Ich werde es bezahlen …«
    »Ist schon gut. Du hast es ja nicht absichtlich getan.« Sie sah ihn nicht an. »Ich fahre nach Hause und ziehe mich um.«
    »Kommst du wieder zurück?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht.«
    »Livvy …« Seine warmen Hände lagen auf ihrer Schulter. Ein seltsames, heißes Gefühl durchflutete Livvy, und …
     
     … und das Rattern des Zuges drang wieder in ihr Ohr.
    Irgend etwas mit der Zeit schien nicht zu stimmen. War sie so lange da drin in der Glastafel gewesen? Dämmerung lag vor dem Zugfenster. Die Lampen brannten. Aber das war ihr alles gleichgültig. Langsam erholte sie sich von dem brennenden Gefühl in ihrem Innern.
    Norman rieb sich die Augen.
    »Was ist denn passiert?«
    »Es ist soeben zu Ende gegangen, ganz plötzlich«, sage Livvy.
    »Wir werden bald in New Haven sein«, sage Norman unbehaglich. Er blickte auf seine Armbanduhr und schüttelte den Kopf.
    »Du hast den Cocktail über mein Kleid geschüttet«, sagte Livvy verwundert.
    »Wie im wirklichen Leben.«
    »Aber im wirklichen Leben war ich deine Frau. Diesmal hättest du den Cocktail auf Georgettes Kleid gießen müssen. Ist das nicht merkwürdig?« Sie dachte daran, wie Norman ihr gefolgt war. Seine Hände auf ihren Schultern …
    Sie blickte zu ihm auf und sagte mit zufriedenem Lächeln: »Ich war nicht verheiratet.«
    »Nein. Aber war das Dick Reinhardt, mit dem du befreundet warst?«
    »Ja.«
    »Hattest du vor, ihn zu heiraten, Livvy?«
    »Bist du eifersüchtig, Norman?«
    Norman blinzelte verwirrt.
    »Darauf? Auf eine Glastafel? Natürlich nicht.«
    »Ich glaube nicht, daß ich ihn geheiratet hätte.«
    »Weißt du, ich habe nicht gewollt, daß es schon aufhört. Ich glaube, da hätte noch irgend etwas geschehen müssen.« Er machte eine Pause, dann fügte er langsam hinzu: »Es war so, als hätte ich alles um mich vergessen …«
    »Auch Georgette?«
    »Ich habe keinen einzigen Gedanken an Georgette verschwendet. Aber das glaubst du mir vielleicht nicht.«
    »Vielleicht doch.« Sie sah ihm in die Augen. »Ich war sehr dumm, Norman. Wir wollen – unser wirkliches Leben leben. Spielen wir nicht mit Ereignissen herum, die hätten geschehen können, wenn …«
    Aber er griff nach ihrer Hand.
    »Nur noch ein einziges Mal, Livvy. Wir wollen sehen, was wir in diesem Augenblick getan hätten. In dieser Minute! Wenn ich Georgette geheiratet hätte.«
    Livvy erschrak ein bißchen.
    »Lieber nicht, Norman.« Sie dachte
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