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Der Todeskanal

Der Todeskanal

Titel: Der Todeskanal
Autoren: Isaac Asimov
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bei jedem Menschen, dem er begegnete.
    »Sie haben mir den Mann als sehr talentiert beschrieben«, sagte er. »Vielleicht ist er sogar ein Genie. Sie sagten, er sei nie gern mit Menschen zusammengewesen. Er hätte sich auch nie in der Atmosphäre des Laboratoriums wohlgefühlt, obwohl er doch dort seine größten Erfolge errungen hat. Hat er sich vielleicht in einer anderen Umwelt wohler gefühlt?«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Kaum ein Mensch hat das Glück, in seinem Beruf die ideale Umwelt zu finden. Der eine kompensiert das, indem er ein Instrument spielt, der andere geht spazieren oder wird Mtglied irgendeines Klubs. Mit anderen Worten, er schaffte sich außerhalb seiner Arbeit eine eigene Welt, in der er sich mehr zu Hause fühlt. Und diese eigene Welt muß in gar keinem Zusammenhang mit dem Beruf eines Menschen stehen. Sie ist oft eine Flucht vor der Wirklichkeit und hilft, das Leben leichter zu ertragen.« Er lächelte und fügte hinzu: »Ich selbst sammle zum Beispiel Briefmarken. Ich bin aktives Mitglied der Amerikanischen Philatelistengesellschaft.«
    Grant schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, was er in seiner Freizeit machte. Ich bezweifle, daß er irgendeinem Hobby frönte.«
    »Hm. Das ist natürlich traurig. Man muß doch irgendwo Entspannung oder Vergnügen finden.«
    »Haben Sie schon mit Dr. Ralson gesprochen?«
    »Über seine Probleme? Nein.«
    »Werden Sie es tun?«
    »Oh, ja. Aber er ist erst seit einer Woche hier. Man muß ihm Zeit lassen, damit er sich erholen kann. Er befand sich in einem sehr erregten Zustand, als er hier eintraf. Man kann es fast als Delirium bezeichnen. Er muß viel Ruhe haben und sich an die neue Umgebung gewöhnen, bevor ich mit ihm spreche.«
    »Werden Sie ihn dazu bringen können, daß er wieder seine Arbeit aufnimmt?«
    Blaustein lächelte.
    »Wie kann ich das wissen? Ich weiß ja noch nicht einmal, an welcher Krankheit er leidet.«
    »Könnten Sie ihm nicht erst einmal über das Schlimmste hinweghelfen? Ich meine, Sie könnten ihn vorerst einmal von seinem Selbstmordzwang befreien und die Kur fortsetzen, wenn er wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt ist.«
    »Vielleicht. Ich kann mir keine Meinung bilden, bevor ich nicht mit ihm gesprochen habe.«
    »Wie lange wird es etwa dauern?«
    »In solchen Fällen kann man das nie vorhersagen, Dr. Grant.«
    »Dann tun Sie, was Sie für richtig halten.« Grant beugte sich vor. »Es ist sehr wichtig, daß Ralson bald gesund wird. Sie wissen gar nicht, wie wichtig.«
    »Möglich. Sie können mir vielleicht helfen, Dr. Grant.«
    »Wie?«
    »Können Sie mir gewisse Informationen beschaffen, die als ›Top secret‹ bezeichnet werden?«
    »Welche Art von Informationen?«
    »Ich würde gern die Selbstmordquote der Nuklearwissenschaftler seit 1945 kennen. Außerdem möchte ich wissen, wieviele ihre Arbeit niedergelegt beziehungsweise sich einem anderen Forschungsgebiet zugewandt haben.«
    »Steht das in Zusammenhang mit Ralson?«
    »Meinen Sie nicht, daß es sich bei seiner schrecklichen Depression um eine Berufskrankheit handelt?«
    »Sie müssen das verstehen, Dr. Blaustein. Die Atmosphäre in der modernen Nuklearforschung ist von starkem Druck und Bürokratismus bestimmt. Wir arbeiten mit Regierung und Militär zusammen. Wir dürfen über unsere Arbeit nicht sprechen, und wir müssen sehr vorsichtig mit unseren Äußerungen sein. Natürlich, wenn einem von uns eine Stellung an einer Universität angeboten wird, wo man seine Arbeitszeit selbst bestimmen, seine eigene Forschung betreiben kann, wo man nicht jede schriftliche Arbeit erst einmal der A.E.C. vorlegen muß, bevor man sie veröffentlichen kann, wo man nicht hinter verschlossenen Türen arbeiten muß, würde jeder sofort zugreifen.«
    »Und Sie würden Ihrem Spezialgebiet für immer den Rücken kehren?«
    »Kann sein. Die Gründe, warum so viele ihre Arbeit aufgeben, sind selten militärischer Natur. Aber einmal erzählte mir ein Mann, daß er nachts nicht schlafen könne. Er sagte, er würde hunderttausend Schreie aus Hiroshima hören, sobald er das Licht ausgeschaltet hätte. Er nahm einen Job in einem Herrenmodegeschäft an.«
    »Und Sie selbst hören niemals Schreie?«
    »Doch.« Grant nickte schwer. »Es ist kein angenehmes Gefühl zu wissen, daß ein kleiner Teil der Verantwortung für eine eventuelle atomare Zerstörung auf meinen eigenen Schultern ruht.«
    »Und welches Gefühl hat Ralson?«
    »Er sprach nie über solche Dinge.«
    »Mit anderen Worten,
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