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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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Andererseits wäre es danach sicher nur noch ein unappetitliches Gegurgel geworden. Mit all dem Blut. So aber war es Kunst. Sauber und klar. Elegant.
    Er würde ein bisschen Zeit vergehen lassen und es dann selbst anbieten. Er hatte die Märkte voll im Blick. War schließlich sein Job.
    Nicht der schlechteste aller Jobs.
    Er stand auf und machte sich die Hose vorne zu.
    Die von der Abteilung würden ihm mal wieder zu seinen Erfolgen gratulieren. Und sich auf die Suche nach der Rothaarigen machen, den Computer ausfindig machen und so weiter. Routine.
    Er war ja auch wirklich sehr erfolgreich.
    Geiler Job, dachte er, so ist es, wenn man sein Hobby zum Beruf macht.

Thomas Nommensen Deutschstunde 2.0
    Als der hölzerne Zeigestock in Lahmanns Brustkorb eindringt, Rippen und Lunge durchstößt und den Lehrer an die aufgeklappte Schultafel nagelt, sind es noch genau 22 Minuten bis zur nächsten Pause.
    »Das ist dafür, dass Tim diese Nachprüfung machen muss«, flüstere ich vor mich hin. »Für das Mangelhaft, das du ihm in Deutsch gegeben hast, und dafür, dass er jetzt mit mir die ganzen Ferien über büffeln muss, um doch noch versetzt zu werden.«
    Max Frisch, Biedermann und die Brandstifter
. Lahmann hatte das Thema gleich zu Beginn des Unterrichtes an die Tafel geschrieben und die Worte schwungvoll unterstrichen. Die Klasse stöhnte laut auf. Jemand rief: »Aber heute ist doch der letzte Tag vor den Ferien ….«
    Lahmann drehte sich um, die Kreide in der Hand – wurfbereit. Er grinste breit und wartete auf den nächsten Kommentar. Doch niemand traute sich.
    Jetzt hängt sein Körper mittig über den krakeligen Buchstaben, pendelt durch die Wucht des Aufpralls noch leicht hin und her und verwischt die Kreideschrift in seinem Rücken.
    Aber ich bin noch nicht zufrieden. Lahmann reagiert falsch, hält das Reclam-Heft weiterhin auf Augenhöhe und zitiert mit monotoner Stimme Passagen aus dem Text, als wenn nichts geschehen wäre.
    Ich kneife die Augen stärker zusammen. Der Vorhang der Wimpern vor meinem Blick wird dichter, Flimmerhärchen huschen durch das Bild, wie Störungen in einem alten Film, aber jetzt sehe ich es ganz deutlich, sehe wie Lahmann vor Entsetzen die Augen aufreißt, das Heft sinken lässt, seine Lippen einen Laut formen. Schmerzen, unerträgliche Schmerzen, wird er haben, denke ich und warte auf die Worte, die Stimme, den Schrei …
    » MORITZ !« Lahmanns Stimme, die falsch ist, die meinen Namen ruft, statt vor Schmerzen zu brüllen.
    Tim stößt mir seinen Ellenbogen in die Seite.
    Ich seufze, werfe noch einen Blick auf die Zeichnung, die Tim auf die Innenseite seines Leseheftchens skizziert hat. Die Darstellung ist so realistisch, dass die Szene dazu in meinem Kopf wie von selbst als Film abgelaufen ist.
    Bevor wir reagieren können, ist Lahmann schon an unserem Tisch, reißt Tim das Heft aus den Händen.
    Ich senke meinen Blick.
Sandra liebt Karsten
steht auf der zerkratzten Tischplatte. Eine kindliche Schrift. Ein Herz drum rum. Verblasst, sicher schon ein paar Schülergenerationen alt.
    Lahmann blättert durch die Seiten. Dünnes, knisterndes Papier. Hektische Fingerbewegungen. Dann Stille.
    Ich schaue hoch.
    Lahmann sieht mich an. Dreht das Heft in meine Richtung. Tippt mit dem Finger auf die Zeichnung. »War das Tim?«
    Lahmann spricht Tim nie direkt an. Seine Antworten dauern zu lange, hat er irgendwann mal gesagt, ich muss meinen Stoff unterbringen, da kann ich nicht noch auf solche Verhaltensstörungen Rücksicht nehmen.
    Ich antworte nicht. Natürlich weiß Lahmann, von wem die Zeichnung stammt. Tim malt ständig. Die Ränder der Schulhefte, die Rückseiten von Prüfungsbögen, nichts ist vor ihm sicher. Und er ist gut, verdammt gut sogar. Tim hat so viele extreme Begabungen, wie er ausgeprägte Schwächen hat. Fragen beantworten, zum Beispiel. Er stottert nicht, aber manchmal dauert es Ewigkeiten, bis er zu sprechen beginnt. Er klappt den Mund auf, und dann kommt einfach nichts. Ich glaube ja, dass er in Wirklichkeit zu schnell ist. Zu schnell für die Wahrnehmung der meisten Menschen. Deswegen spielt er uns Langsamen etwas vor. Die Ärzte wollten sich nie festlegen, wie diese Störung heißt. Mir ist das egal, Tim ist einfach mein verrückter Bruder. Da er verspätet eingeschult wurde, gehen wir in dieselbe Klasse, und daran wird auch dieser Arsch von einem Lehrer nichts ändern.

    »Doppel-Rüge«, sage ich zu Peter. »Und das am letzten Schultag.«
    Peter hält die Selbstgedrehte
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