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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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Akazienweg in Blankenese ist relativ kurz, eine Hausnummer 42 gibt es gar nicht.«
    »Das heißt?«
    »Das heißt, dass man Sie reingelegt hat. Das ist ein übler Scherz. Überlegen Sie doch mal, wer aus Ihrem persönlichen Umfeld Ihnen vielleicht diesen Streich gespielt haben könnte.«
    »Das alles soll ein Fake sein? Aber …«
    »Auf jeden Fall werden wir hier in Hamburg im Augenblick nichts unternehmen. Ich bleibe bei meinem Rat, sich an ihre örtliche Polizeidienststelle in Basel zu wenden. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

    06:40 Uhr
    Tim wälzte sich unruhig auf seinem Bett hin und her. Konnte er noch irgendetwas tun? Man durfte doch dieses Mädchen nicht einfach im Stich lassen. Sie schien ja clever zu sein und kannte sich mit Rechnern und Computerspielen aus. Immerhin hatte sie in einem vermutlich schlecht beleuchteten Keller aus mehreren defekten einen funktionierenden Computer zusammengebaut und auch erkannt, dass die fehlenden Buchstaben auch auf einen Softwarefehler zurückzuführen sein könnten. Aber clever zu sein war natürlich kein ausreichender Schutz gegen einen brutalen Ex-Lover.
    Softwarefehler!
    Tim setzte sich auf. Er hastete zum Schreibtisch und überflog die ausgedruckten E-Mails. Da, schon in der dritten Nachricht: »S°ftw°r°«. Software. Da fehlte auch das »o« auf Franziskas PC .
    Vielleicht hätte er im Geographieunterricht doch ab und zu besser aufpassen sollen. Gab es in Deutschland auch einen Ort namens Homburg? Er startete »Google Maps« und hatte nach Sekunden das Ergebnis. Tatsächlich – eine kleine Stadt im Saarland. Und es existierte auch ein Akazienweg. Er beschaffte sich die Telefonnummer der Kriminalpolizei-Inspektion in Saarbrücken und wurde natürlich wieder mehrmals verbunden. Die ihm schon bekannten Fragen wurden gestellt. Ach, aus der Schweiz rufen sie an? Wie sollen wir denn von hier aus Ihre Personalien überprüfen? Können Sie nicht in Basel zur nächsten Polizeiwache gehen?
    Der Beamte recherchierte immerhin im Meldeamts-Computer, sagte dann aber: »Einen Erhan Yesilyurt gibt es in Homburg definitiv nicht. Könnte das Ganze nicht eher ein übler Scherz sein?«
    Das kannte er alles schon. Tim klappte wortlos sein Handy zu und warf es aufs Bett. Er schaute zur Uhr. Laut »Google« waren es etwa dreieinhalb Stunden nach Homburg. Durch Frankreich, am Rhein entlang Richtung Straßburg, dann bei Saarbrücken über die Grenze.

    06:55 Uhr
    Sein alter VW Polo sprang erstaunlicherweise sofort an, außerdem hatte er gestern gerade vollgetankt. Mit feuchten Händen gab er das Ziel ins Navi ein und setzte den Wagen in Bewegung.

    09:15 Uhr
    Während der Fahrt gab er sich hemmungslos den großartigsten Tagträumen hin. Tim wollte ein einziges Mal ein
echter
Held sein, nicht nur ein siegreicher Kämpfer in Computerspielen. Die holde Prinzessin ganz wirklich aus den Fängen des Bösen befreien. Franziska sah dabei natürlich aus wie Lara Croft in »Tomb Raider«. Und sie hauchte ihm nach der Befreiung lächelnd zu: »Sterblicher, ich danke dir für meine Rettung!«
    Das war ein Zitat aus »Diabolo II «, in diesem virtuellen Kosmos kannte er sich bestens aus. Aber gleich, in der Realität – was sollte er da eigentlich wirklich anstellen?
    Was er hier gerade machte, war der schiere Wahnsinn.

    10:40 Uhr
    Ein großer Schweißtropfen rann ihm langsam über die Wirbelsäule nach unten, als er die beschädigte Terrassentür des Hauses Akazienweg 42 langsam aufschob. Er vermied es, auf die Glasscherben auf dem Parkettboden zu treten und betrat das riesige Wohnzimmer. Auf einem großen Glastisch und dem Fußboden lagen geleerte Whisky-Flaschen, zerknüllte McDonald's-Tüten, Pizza-Kartons und die offensichtlichen Hinterlassenschaften eines geplünderten Kühlschranks. Auf der Tischplatte sah Tim zwischen all dem Müll ein Schlüsselbund und eine braune Geldbörse. Er schaute ins Portemonnaie und zog einen Ausweis heraus. Der Typ hieß Orhan Yesilyurt, auch hier hatte also ein »O« gefehlt. Dann hatte dieser Saarbrücker Kriminalbeamte also zu Recht festgestellt, dass ein Erhan Yesilyurt in Homburg nicht gemeldet sei.
    Aber immerhin – Tim war eindeutig im richtigen Haus. Und das alles war
kein
Fake. Eine Mischung aus Triumph und Angst fuhr ihm in die Magengrube, er spürte sein Herz bis in den Hals pochen. Und er hatte sich bislang eingebildet, ein Fight in den Katakomben von »Counter Strike« sei aufregend.
    Vorsichtig schlich er weiter, um den Zugang zur
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