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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht
Autoren: Bruno Morchio
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zu ihr setzte, kreuzten sich unsereBlicke, und ich bemerkte, dass sie mich erwartungsvoll ansah.
    »Ich habe mit der Freundin von Valentino gesprochen. Willst du meine Einschätzung hören?«
    Sie nickte wortlos.
    »Meiner Meinung nach sagt sie die Wahrheit. Der Junge hat wieder angefangen, Drogen zu nehmen.«
    »Sein Vater ist da anderer Meinung.«
    »Das Mädchen sagt, ihr Schwiegervater sei ein armer Irrer.«
    »Gabriele Sanna hat eine Menge Macken, aber er hat auch Menschenkenntnis. Und Valentino ist sein Sohn.«
    »Genau deswegen könnte er falsch liegen. Bei den eigenen Kindern ist immer Liebe im Spiel, und in dem Fall …«
    »Das letzte Mal, als Valentino bei seinem Vater im Gefängnis war, hat er ihm eine Menge Fragen gestellt. Über den Überfall, über die Höhe der Beute und über seine damaligen Komplizen. Bis dahin hatte er das Ganze nie angesprochen.«
    »Davor war er ja auch noch ein Kind. Der Überfall auf den Geldtransporter war sicher ein Tabuthema. Kannst du dir vorstellen, was das für ihn bedeutet haben muss? Als man seinen Vater eingebuchtet hat, war er gerade mal zehn.«
    »Vielleicht hast du recht …«
    Die Kellnerin brachte die zwei Negroni, die orangerot in den mit Eiswürfeln gefüllten Gläsern leuchteten, dazu viele kleine Teller mit allen möglichen Leckereien. Schinkenpastetchen, kleine Pizzen, warme, duftende Foccaccia mit Käse, Taggiasca-Oliven in Salzlake,Salzgebäck und Pommes frites. Gina verschlang alles mit einem Heißhunger, der die Bewunderung all derer hervorrief, die so ähnlich tickten wie sie – und den bangen Respekt aller anderen, die die Dinge lieber etwas langsamer angehen ließen, aus Angst, ihre Ressourcen zu erschöpfen.
    »Was hat Gabriele Sanna seinem Sohn erzählt?«, fragte ich.
    »Alles und nichts. Er hat nie die Namen seiner Komplizen preisgegeben. Nicht mal mir, obwohl ich seine Anwältin bin. Und das kommt ihn teuer zu stehen. Er muss mindestens noch zehn Jahre sitzen.« Sie nahm einen großen Schluck ihres Aperitifs. »Wenn der Geldtransportfahrer, der geschossen hat, bei dem Überfall umgekommen wäre, hätten sie Sanna lebenslänglich aufgebrummt. Aber selbst in dem Fall hätte er sich auch nicht anders verhalten. Ich kenne ihn, er schmort lieber im Knast vor sich hin, als sich Verrat vorwerfen zu lassen.«
    »Valentinos Kleine hat mir erzählt, dass sie und ihr Kind vom Geld der Schwiegermutter leben. Stimmt es, dass Sannas Frau auf dem Bahnhof Toiletten putzt, um den Unterhalt für die Familie aufzubringen?«
    »Ja, Toiletten putzt sie, das stimmt. Aber Sanna ist bereit, dich ziemlich gut zu bezahlen. Ein bisschen Geld müssen sie also schon haben.«
    »Seinen Anteil von der Beute?«
    »Du hast’s erfasst.« Sie zündete sich eine Zigarette an, schlug die Beine übereinander und setzte sich aufrecht hin, um mir nun ihre Sicht der Dinge zu erklären.  »Nicht seinen
ganzen
Anteil. Er hat mir malgesagt, dass seine Komplizen seiner Frau nur ungefähr hundert Millionen ausgezahlt hätten. Lire, wohlgemerkt. So viel, dass sie gerade über die Runden komme. Sobald er rauskomme, wolle er selbst den Rest der Summe eintreiben. Ich war mir nie sicher, ob ich ihm glauben sollte oder nicht. Aber seit Valentino verschwunden ist, bin ich überzeugt, dass er die Wahrheit gesagt hat.«
    »Wie viele Täter waren es denn damals?«
    »Die Sicherheitsleute vom Geldtransport haben drei Männer gesehen. Aber es ist so gut wie sicher, dass es noch einen vierten gab, oder sogar noch mehr, die den Überfall organisiert haben.«
    Ich erinnerte mich gut an das Jahr 1994, als die Nachricht vom »Raubüberfall des Jahres« die Titelseiten der Zeitungen zierte. Zehn Milliarden Lire hatten die Täter aus dem Transporter der Banco di Sardegna mitgehen lassen. Der Wachmann, der auf Gabriele Sanna geschossen hatte, war von einer Kugel in die Schulter getroffen worden und nur knapp mit dem Leben davongekommen. Das Fluchtfahrzeug der Banditen, ein in Sassari gestohlener BMW, wurde drei Tage später an einem Abhang in der Nähe von Nuoro gefunden  – völlig ausgebrannt. Niemand hatte je etwas über den Verbleib der Banditen oder des Geldes erfahren.
    »Das ist, als ob man eine Nadel in einem Heuhafen suchen wollte.«
    Gina trank ihren Negroni aus und schaute mich schräg von der Seite an.
    »Wo hast du deine Vespa abgestellt?«
    »Ganz hier in der Nähe. Wieso?«
    »Ich habe das Auto in Carignano stehen lassen, und in einer Stunde muss ich in Recco sein.«
    »Wann willst du
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