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Der Tigermann

Der Tigermann

Titel: Der Tigermann
Autoren: Lecale ERrol
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antwortete Hugo mit gesenktem Kopf. »Meinem eigenen Vergnügen wegen vernachlässigte ich meine Pflicht. Ich muß bestraft werden.«
    Eli kam näher und blickte Mara in die Augen. Es war, als stellte er ihr wortlos eine Frage.
    »Es ist ihr kein Leid geschehen«, versicherte Eli. »Und was deine Bestrafung betritt, mon brave, du weißt, das ist nicht meine Art.«
    »Ich werde mich selbst bestrafen. Ich werde sühnen.«
    Hugo nahm sich vor, beim Abendessen auf den Wein zu verzichten. Nicht nur heute, sondern für den Rest der Reise. Er hatte Strafe verdient. Und seine Bekannte mußte sich eben bis auf weiteres gedulden. Es hätte wirklich zu einem nie wieder gutzumachenden Desaster führen können. Er wäre schuld gewesen, wenn die wirkungsvollste Waffe seines Herrn entschärft worden wäre.
     
    Der Zug zuckelte müde im Bahnhof von Terrahpur ein. Die letzten Meilen hatte er sich bergauf plagen müssen – die einheimische Kohle gab zu wenig Dampf.
    Auf dem Bahnsteig wartete die übliche Menschenmenge: Betelverkäufer, Verwandte und Freunde der Ankommenden, fliegende Händler, Bettler mit entsetzlichen Entstellungen, Diebe, Kinder, die nach ihren Müttern schrien.
    Als der Zug anhielt, marschierte ein Trupp Soldaten über den Bahnsteig und bildete ein Doppelspalier von Elis Abteil bis zum Ausgang. Ihre Uniform war scharlachrot, gold und blau, ihre Kopfbedeckung weiß mit goldenem Besatz. Sie gehörten den Terrahpur-Lanzenreitern an, der Leibwache des Maharadschas. Es waren Mohammedaner, Nachkommen der ersten Leibwache, die der Urgroßvater des Maharadschas nach Terrahpur geholt hatte. Der Maharadscha war ein Hindu, und er herrschte über einen Hindustaat. Selten duldeten Mohammedaner einen Hinduherrn über sich. Aber hatte nicht auch der Vatikan eine Schweizer Garde, genau wie die letzten französischen Monarchen?
    Ein kleiner Mann in einem dunklen Achkan und engen weißen Beinkleidern schritt durch das Spalier. Er trug einen einfachen weißen Turban und hatte eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Diwan.
    » Namaste, Sahib«, begrüßte er Eli. »Ich bin Jhanta Mansur, der Bruder des Diwans und Majordomus Seiner Hoheit. Ich habe den ehrenvollen Auftrag, Sie zum Palast zu geleiten.«
    Eine Kutsche wartete vor dem Bahnhof. Auch sie war in den Farben Scharlachrot, Blau und Gold gehalten. Eli, Mara und Hugo bestiegen sie. Die Reiter sprangen auf ihre Pferde, und die kleine Prozession machte sich auf den Weg durch die Straßen Terrahpurs.
    Saiva, der Priester Kalis, hatte seine Neugier nicht bezähmen können. Er stand in seinem safrangelben Gewand am Bahnhof. Seine stechenden Augen musterten Eli, und seine Lippen bewegten sich in einem lautlosen Mantra. Eli, schätzte er, würde kein leichter Gegner sein. Aber Kali war mächtiger als alle.
    Der Palast stand auf einem niedrigen Hügel über den verschlungenen, engen Straßen der Stadt, die sauberer und in besserem Zustand gehalten wurde als die meisten anderen indischen Städte. Der Palast sah aus wie eine gigantische mehrstöckige Torte. Die äußere Mauer hatte keine Fenster und endete in Zinnen. Sie war weiß geputzt, was dazu beitrug, die inneren Räume kühler zu halten.
    Die Kutsche passierte das Tor, dessen weite Flügel aus dickem dunkelfarbigem, mit Eisen beschlagenem Holz bestanden. Es öffnete sich zu einem kreisförmigen, als Ziergarten angelegten Hof, um den die breite Auffahrt führte. Die Palastgebäude schlössen unmittelbar an die ebenfalls kreisrunde Außenmauer an, so daß die Konstruktion von innen wie ein wulstiger Reifen wirkte.
    »Mein Herr ist noch bei der Durbar, der Audienz für seine Untertanen«, erklärte Mansur. »Viele der Armen kamen heute mit Bitten. Es muß auch ein Streit geschlichtet werden über eine recht schwierige Grundstücksgrenze. Aber Sie möchten sich bestimmt ohnehin erst den Reisestaub abschütteln und umziehen, ehe ich Sie zu Seiner Hoheit bringe.«
    Die Zimmer waren modern. Zu jedem gehörte ein eigenes Bad mit fließendem Wasser. Eine Seltenheit in diesem Land. Maras Raum lag zwischen Hugos und Elis. Ein sechster Sinn schien dem Majordomus gesagt zu haben, daß Eli es genauso wünschte. Auf diese Weise vermochten die beiden Männer das Mädchen am besten abzuschirmen.
    Und sein sechster Sinn mußte Mansur auch die Ankunftszeit verraten haben, denn Eli hatte kein Telegramm geschickt oder sonstwie Bescheid gegeben.War das die Telepathie des mystischen Ostens? Oder hatte Mansur vorsichtshalber zu jedem Zug, mit dem sie seit
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