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Der Tigermann

Der Tigermann

Titel: Der Tigermann
Autoren: Lecale ERrol
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verlasse England erst nächste Woche.« Der Diwan schien betrübt, Eli nicht begleiten zu können.
    »Ihre Hinweise haben mir sehr geholfen, Hoheit«, versicherte ihm Eli. »In Fällen dieser Art ist das Hauptproblem gewöhnlich das Motiv für die Erschaffung einer Werbestie. Ich kenne nun bereits die Verantwortlichen – die Priester Kalis.«
     
    Der große Tempel der Göttin Kali in Terrahpur erstreckte sich über mehr als vier Ar Land. Er war ein Labyrinth aus Gängen, Räumen und Kammern, die sich von der riesigen Haupthalle aus wie die Tentakel eines Tintenfisches ausbreiteten.
    Die Haupthalle selbst war derart ausgestattet, daß sie in dem Gläubigen nur ein Gefühl erwecken konnte – das der Furcht. Winzige Öllampen spendeten karges Licht in dem gewaltigen gewölbeartigen Raum, und ihr Zweck bestand darin, die Dunkelheit, die sich in die Endlosigkeit zu erstrecken schien, noch erschreckender hervorzuheben. Es gab nur eine einzige wirkliche Lichtquelle, und das war die immense Statue der Göttin Kali, die den Eindruck erweckte, über den Andächtigen zu kauern. Ein rotes Glühen schien direkt aus dem Stein zu kommen – eine Täuschung, die vermutlich mit Hilfe von Spiegeln bewirkt wurde. Ein rotes Glühen für eine rote Gottheit. Die Farbe des Blutes für die Göttin des Blutes.
    Es war das traditionelle Standbild, das Kali als vierarmige Frau darstellte, die auf der Brust ihres Gatten Mahakala steht – seine Figur war jedoch nur angedeutet und ging in das Postament über. Aus ihrem weit aufgerissenen Mund hing die Zunge und um ihren Hals eine Kette, deren einzelne Glieder die Köpfe der von ihr erschlagenen Riesen darstellten. Nichtimmer waren diese Schädel nur Nachbildungen aus Ton gewesen wie jetzt. Früher hatten Häupter aus Fleisch und Blut ihren Hals geschmückt.
    Unter der Statue befand sich der Altar, auf dem die Opfergaben lagen: Hühnchen, Schüsseln mit Reis, in Palmblätter gewickelte Süßigkeiten, Fleischkügelchen, Räucherstäbchen, sogar ein paar Blumen. Heute war nicht Kalipuja, die Nacht der Finsternis, da der Altar überquellen und zu den Füßen der Göttin eine Hekataombe von Ziegen, Schafen und Büffeln dargebracht würde, deren Blut sich langsam auf dem Boden ausbreitete und die Gewänder der Andächtigen mit der gesegneten Flüssigkeit benetzte. Früher hatte es nicht nur Tieropfer gegeben.
    Saiva, der Älteste der Priester Kalis – es gab keine strikte Hierarchie, keinen eigentlichen Oberpriesterstand hinter der Statue neben einem Akolythen, der mit hoher dünner Stimme ein sanskritisches Mantra – einen gebetartigen Spruch – vor sich hin leierte. Die Worte waren unverständlich, allerdings hätte keiner der Gläubigen selbst bei der deutlichsten Aussprache die archaische Sprache verstanden.
    Saiva beobachtete zufrieden einen der demütigen Gläubigen, der auf dem Bauch lag und den schmutzigen Boden ableckte- vielleicht als Buße für eine Sünde oder in der Hoffnung auf die sichtbare Gunst der Göttin. Weniger zufrieden betrachtete er die kargen Opfergaben auf dem Altar, denn von ihnen ernährten sich die Priester. Die einfacheren der Kalibachi, der Kali-Anhänger, glaubten natürlich, daß die Göttin selbst die Opfergaben verzehrte. Die klügeren folgerten, daß die Priester Kalis treueste Diener waren und daß, wenn sie die Opfergaben aßen, doch im Grunde genommen Kali sie bekam. Das heutige Mahl würde nicht sehr üppig ausfallen, aber auch Priester müssen hin und wieder Entbehrungen auf sich nehmen.
    Saiva schnürte die Kordel um seinen gewichtigen Wanst ein wenig enger und strich sich über die glatten weichen Wangen. Er war nicht sehr groß und hatte eine Glatze. Eigentlich hätte er mit seiner Behäbigkeit und seinem kahlen Schädel lächerlich wirken können, aber es ging ein Aura von ihm aus, die unbedingten Gehorsam verlangte. Der wurde ihm in diesem Tempel auch rückhaltlos gezollt. Alle beugten sich vor seiner Autorität.
    Seine schmalen Lippen verzerrten sich zu einem höhnischen Lächeln. Ein Andächtiger erhob sich und ging ein wenig unbeholfen rückwärts zum Ausgang. Er kannte ihn gut. Es war Daseru, der Spion des Diwan. Es war eine Unverschämtheit des Diwans, sich einzubilden, er könnte unbemerkt einen Spitzel in den Tempel schleusen. Er würde in Kürze etwas dagegen unternehmen. Inzwischen hielten Saivas eigene Agenten ihn über den Diwan informiert. Er wußte von seiner Reise nach England. Und er kannte auch den Grund.
    Er hoffte nur, daß der
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