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Der Tiger im Brunnen

Der Tiger im Brunnen

Titel: Der Tiger im Brunnen
Autoren: Philip Pullman
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ist ein harter Knochen.«
    Webster Garland nickte. »Fein«, meinte er. »Dann ist ja alles gut.« Er schaute zum Haus hinüber. Im Frühstückszimmer hängten Ellie und Sarah-Jane gerade die Vorhänge auf. »Fein«, sagte er nochmals. »Aber jetzt gib mir den Kitt. Wir müssen bis zum Mittagessen hiermit fertig sein.«
     
    Sally ging am Victoria Embankment unterhalb der Temple Gardens spazieren. An der Hand hatte sie Harriet, die alles um sich herum mit kindlicher Neugierde betrachtete.
    Am Temple Pier blieben sie stehen. Sally hob Harriet auf die Mauerbrüstung, damit sie die Schiffe sehen konnte. Dampfbarkassen und Ruderboote, Kähne und Schuten, die mit Kohle, Getreide oder Wolle beladen waren, bewegten sich auf dem graugrünen Wasser. Hinter ihnen rollte der Verkehr und etwas weiter entfernt sahen sie Fußgänger und Fuhrwerke über die Blackfriars Bridge auf der Linken und die Waterloo Bridge auf der Rechten vorüberziehen … Alles wirkte nun so harmlos; keine Gefahr lauerte im Hintergrund. Sally konnte mit ihrer Tochter spazieren gehen, ohne sich verstecken zu müssen; sie hatte Geld in der Tasche und ein Zuhause.
    Die Stadt war sicher, wenn auch keine Idylle. Sie war mit Harriet gerade eben von der Sozialmission in Whitechapel gekommen, wo sie sich herzlich für alles bedankt hatten.
    Während sie dort waren, hatte Angela Turner eine Frau behandelt, die von ihrem Ehemann übel zugerichtet worden war. Die Ärztin wusste nicht, ob die Frau überleben würde. Und sie konnte sich nicht ausschließlich um diesen Fall kümmern, weil weiter unten in der Straße Typhus ausgebrochen war. Frauen belagerten die Mission und bettelten um Medikamente.
    So ging es weiter. Auch Rebekka hatten sie besucht, bei Familie Katz. Dort hörten sie von jüdischen Immigranten, die ein Schlepper, der sie für teures Geld nach Amerika bringen sollte, bei Hull an Land gesetzt und ihnen weisgemacht hatte, sie seien kurz vor New York. Dann war er mit dem ganzen Geld verschwunden. Es nahm kein Ende. Das Reich des Zaddik war zusammengebrochen, aber nichts hatte sich geändert. Nur zu viele waren bereit, die Lücke zu füllen.
    Und es gab so viel zu tun. Nicht auf eigene Faust, das hatte Sally mittlerweile gelernt. Man konnte in der Welt nur etwas bewegen, wenn man mit anderen zusammenarbeitete, sich Bewegungen anschloss, Gruppen organisierte, Reden hielt. Es war seltsam, aber in der Stunde, die sie mit Ah Ling, ihrem Erzfeind, verbracht hatte, war ihr zumindest klar geworden, zu welcher Arbeit sie geboren war. Sie fühlte sich glücklich. Eine wirkliche, wichtige Arbeit zu haben und sich dessen bewusst zu sein!
    Und da war Goldberg. Auf den Augenblick im Besuchszimmer des Gefängnisses waren beide nicht gefasst gewesen und danach recht befangen und betont höflich zueinander. Aber sie würde ihn heiraten, dazu hatte sie sich ebenfalls im Keller entschlossen. Er wusste noch nichts davon. Sie überlegte sich, wann sie es ihm sagen sollte. Ein Leben mit ihm würde anstrengend, riskant, stürmisch und sogar gefährlich sein, denn trotz seiner allerbesten Absichten – er wollte die britische Staatsbürgerschaft erwerben, eine Zeitung herausgeben und sich um einen Sitz im Parlament bewerben – war er ein Mann, der, ähnlich wie Jim, einen unfehlbaren Instinkt für Schwierigkeiten besaß. Und dann rauchte er diese schrecklichen Zigarren!
    Aber er war der einzige Mann. Der einzige Mann auf der Welt, der … der was? Der ihr gewachsen war.
    Der dafür geboren war …
    Ein Windstoß fegte ihr den Hut vom Kopf. Sie konnte ihn gerade noch fangen, bevor er in den Fluss hinunterschwebte. Harriet lachte und rief: »Noch mal!«
    »Nein«, sagte sie, »einmal genügt. Wir wollen gehn, Harriet, sonst kommen wir zu spät.«
    »Dan besuchen«, sagte Harriet, als ihre Mutter sie wieder auf den Boden stellte.
    »Richtig. Wir gehen nach Soho und besuchen Dan. Ich habe ihm etwas zu sagen. Und dann … Dann gehen wir nach Hause und trinken Tee.«
    Sally rief eine Droschke und nannte dem Kutscher die Adresse in Soho. Sie machten es sich bequem, Sally in der Ecke und Harriet auf ihrem Schoß. Als die Zügel auf den Rücken des Pferdes klatschten und das Geschirr klimperte, sagte Sally: »Und wir lassen es uns nicht gefallen, dass jemand noch einmal so böse zu uns ist.«
    »Lassen wir uns nicht gefallen«, pflichtete Harriet bei.

 
Danksagung
     
     
    Folgenden Personen möchte ich für ihre Hilfe danken: Eddie Birch vom British Telecom Museum für die
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