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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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belastet –«
    »Zu sehr«, unterbrach Schwemmer sie. »Und ich kann das
nachvollziehen.«
    »Ja. Dein Job ist nämlich auch belastend.«
    »Aber ich komm damit klar. Du hast –«
    »Ich hatte damals einfach genug. Und jetzt eben nicht mehr.«
    »Du hast nicht mehr genug? Genug was? Sorgen?«
    »Quatsch. Genug zu tun. Die Auszeit war toll. Aber jetzt hab ich das
Gefühl …« In einer vagen Geste breitete sie die Arme aus.
    »Als ich noch in Ingolstadt war –«, sagte Schwemmer.
    »Herr Erster Kriminalhauptkommissar Schwemmer! Jetzt kommen Sie mir nicht mit Ihren Ingolstadt-Geschichten! Ich war dabei,
wie Sie wissen sollten!« Burgl versuchte, ihren Zwischenruf mit einem Lachen zu
entschärfen, aber es gelang nicht recht. »Entschuldige«, sagte sie leise.
    »Als ich noch in Ingolstadt war, haben wir bei den komplizierten
Fällen immer mit dem Dr. Kögl als forensischem Psychiater
zusammengearbeitet. Er war zuständig, wenn’s um die richtig Abgedrehten ging.«
    »Ja, ich erinner mich an ihn. Er war gut.«
    »Sehr gut sogar. Genau wie du.«
    »Ich hab ihn mal kennengelernt.«
    »Ich weiß.«
    »Und?«
    »Er ist tot. Leberzirrhose.«
    Burgl kniff die Lippen zusammen und hielt ihr Glas hoch. »Wohlsein«,
sagte sie und kippte den restlichen Whisky hinunter.
    »Ich meine nicht, dass du zu viel trinkst.«
    »Sondern?«
    »Dass man manchmal weniger aushält, als man meint.«
    »Das weiß ich! Ich bin Psychologin!«
    Schwemmer hob die Achseln und griff nach seinem Glas. Es war fast
leer. Die Bedienung sah in den Raum und warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Zahlen bitte«, sagte Schwemmer und rang sich ein Lächeln ab.
    »Ich wollt uns wirklich nicht den Abend verderben«, sagte Burgl und
schob ihre Hand über den Tisch an seine heran. Er legte seine Finger auf ihre.
    »Aber ausgerechnet Ferdi Schurig«, murmelte er.
    * * *
    Auch auf sein zweites, etwas lauteres Klopfen erhielt Sebastian
keine Antwort. Er drückte die Klinke und öffnete die Tür. Der Raum dahinter war
finster. Das Licht aus der Wohnstube erhellte nur die ersten Meter hinter der
Tür. Er erkannte das Fußende eines Bettes, das auf einem dicken, unruhig
gemusterten Teppich stand. Er wagte nicht, das Licht anzuschalten.
    »Sanne?«
    Keine Antwort. Regungslos blieb er stehen und lauschte. Er meinte,
leise Atemzüge zu hören. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das Dunkel, und
er erkannte immer mehr Details. Den Nachttisch neben dem Kopfende, eine
Kommode. Schließlich war er sicher, sie im Bett liegen zu sehen. Oder vielmehr:
auf dem Bett. Sie war nicht zugedeckt. Sie war bekleidet. Ihr Kopf lehnte am
Kopfende des Bettes.
    Und ihre Augen waren offen.
    »Sanne?«
    Sie regte sich nicht. Irgendwas stimmte nicht mit ihren Augen. Sie
wirkten wie schwarze Löcher. Und ihr Kopf schien von einer dunklen Aura
umgeben.
    Er tastete nach dem Lichtschalter und drückte darauf.
    Was er sah, ließ ihn um Atem ringen. Er konnte es nicht glauben,
nicht verstehen. Wankend suchte er Halt am Türrahmen, musste gegen Brechreiz
ankämpfen.
    »Sanne …«, sagte er noch einmal, leise und sinnlos.
    Sie war tot. Ihre Augenhöhlen waren leer. Dort, wo das Funkeln
gewesen war, klafften zwei blutschwarze Löcher. An der Wand hinter ihrem Kopf
waren Gewebe, Knochensplitter und Blut verteilt.
    Noch nie in seinem Leben hatte Sebastian sich so hilflos und ausgeliefert
gefühlt. Er starrte auf die Katastrophe, auf den Tod, auf das Ende von allem.
    Als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm, gelangte das
nicht bis zu seinem Reaktionszentrum. Und den Schlag auf den Hinterkopf, der
ihn in die Ohnmacht schleuderte, nahm er fast dankbar entgegen.
    * * *
    Es ist nur auf den ersten Blick ein Fehler
gewesen, die Haustür offen zu lassen. Ich mache keine Fehler. Wenn ich etwas
tue, dann ist es richtig. Es ist richtig, weil ich es getan habe. Und wenn das
dann dazu führt, dass ein Mensch zu einer Figur im großen Spiel wird, das ich
spiele, dann ist das kein Fehler. Jedenfalls nicht meiner.
    * * *
    Sebastian wehrte sich gegen das Wachwerden, denn es bereitete
Schmerzen. Die heftigsten tobten in seinem Schädel, aber auch in den Rücken
fuhr ihm ein heftiger Stich, als er versuchte, seine Position zu ändern. Er lag
kopfunter. An der Wange spürte er einen groben, staubigen Teppich. Er wollte
sich aufstützen, aber sein rechter Arm ließ sich nicht bewegen. Es war fast
völlig dunkel. Seine Brille war weg. Der linke Arm gehorchte ihm. Immerhin.
Fahrig tastete er herum,
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