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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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Schlag. Dann wieder Stille. Es
war aus dem Haus gekommen.
    Er machte einen weiteren Schritt auf das Haus zu und kniff die Augen
zusammen. Konnte es sein, dass die Haustür offen stand?
    Wieder näherte sich ein Auto, diesmal aus Richtung Grainau. Bevor
die Scheinwerfer ihn erreichen konnten, trat er durch das Törchen in den
Schatten einer Tanne im Vorgarten.
    Der Wagen fuhr vorbei, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern.
Sebastian ging weiter auf das Haus zu. Nach ein paar Metern gab es keinen
Zweifel mehr: Die Tür stand einen Spaltbreit offen.
    Er sah zum Fenster hoch. Die Gardinen hingen reglos. Er hatte keine
Ahnung, was er tun sollte. Die beiden Hälften seines Gehirns rangen
miteinander. Die eine wollte ihn von hier fortlotsen, zurück in den Wagen,
zurück nach Hause, ins Warme, ins Bett oder auch nur neben seinen Vater vor den
Fernseher.
    Die andere Hälfte hielt ihn fest.
    Dort war die Tür. Ihre Tür. Sie stand offen. Musste er sich nicht
kümmern? Was war das für ein Geräusch gewesen? War es nicht seine Aufgabe,
sicherzustellen, dass Sanne nichts zustieß? Jedermann konnte hinein in ihr
Haus, solange die Tür offen stand.
    Genau, sagte die andere Hirnhälfte. Geh hin, zieh die Tür zu, fahr
heim.
    Er näherte sich der Tür. Seine Rechte umfasste den Griff. Ein paar
Sekunden zögerte er, dann drückte er die Tür auf und betrat das Haus.
    * * *
    Balthasar Schwemmer zog die Flasche mit dem badischen
Weißburgunder aus dem Kühler und kontrollierte die Füllhöhe. Sie erschien ihm
unbefriedigend. Er teilte den Rest sorgfältig zwischen Burgls und seinem Glas
auf, dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr.
    »Ist elf durch«, sagte er bedauernd.
    »Noch eine bestellen wir jedenfalls nicht«, sagte Burgl lächelnd.
    Er sah sich um. Sie waren die letzten Gäste im »Husar«. Der Abend
war, wie eigentlich immer hier, sehr erfreulich verlaufen. Sie hatten sich
vorweg einen Prosecco mit Holundersirup gegönnt und zur Eröffnung ein
Hirschcarpaccio mit Preiselbeeren. Sie hatten es geschafft, nur wenig über
seine Arbeit zu reden. Im Moment gab es ohnehin nicht viel zu erzählen. Die
Tatsache, dass er nicht mehr Leiter der Garmischer Dienststelle war, weil man
sie aufgewertet und ihm einen Polizeidirektor vor die Nase gesetzt hatte, war
als Thema zwischen ihnen durch. Burgl hatte aufmerksam auf jede Andeutung von
Ärger geachtet, und es hatte einige Zeit gedauert, bis er sie davon überzeugt
hatte, dass es ihn überhaupt nicht ärgerte, den Organisationskram nach oben
abzugeben, solange er ungestört weiter seine Kriminalabteilung leiten konnte.
Schließlich hatte man ihn nicht degradiert. Ärgern tat ihn nur, dass er sich
Frau Fuchs’ Dienste nun mit dem neuen Chef teilen musste, was mitunter zu
Wartezeiten bei der Kaffeeversorgung führte.
    Er hatte sich für das Böfflamott mit Karotten und Spätzle als
Hauptgang entschieden, Burgl für in Butter gebratene Atlantik-Seezunge mit
Blattspinat. Den Rest des Abends hatten sie mit Urlaubsplanungen und -erinnerungen
verbracht.
    Auf die Crème brûlée hatte er schweren Herzens verzichtet, als er
Burgls Blick auf seine leicht spannenden Hemdsknöpfe in Tischkantenhöhe bemerkt
hatte – was sie aber keineswegs davon abgehalten hatte, sich eine
Calvados-Crêpe mit Bourbonvanilleeis zu bestellen.
    Es war ein Abend gewesen, wie man ihn sich für einen
dreiunddreißigsten Hochzeitstag wünschen konnte.
    »Noch was hinterher?«, fragte er lächelnd, und Burgl lächelte
zurück.
    Er bat noch einmal um die Getränkekarte, und sie studierten die
aufgelisteten Spirituosen.
    »Deutscher Maltwhisky?«, fragte Burgl. »So was gibt’s?«
    Schwemmer wiegte den Kopf. »Ich hab mal einen probiert, der war so
lala.«
    »Oh, dieser ist aber ganz was Besonderes«, sagte die Bedienung
freundlich. »Von einem alteingesessenen fränkischen Obstbrenner. In
Zwetschgenbrandfässern gelagert. Davon sind überhaupt nur tausend Flaschen
gebrannt worden.«
    Schwemmer fuhr leicht zusammen, als er den Preis las, aber Burgls
begeisterter Blick ließ ihn zwei bestellen.
    »Übrigens hab ich neulich Ferdi Schurig im Ort getroffen«, sagte
Burgl, als die Bedienung den Malt servierte.
    Schwemmer runzelte leicht ärgerlich die Stirn und griff nach seinem
Glas. Er hatte kein Interesse daran, sich von der Erinnerung an Ferdinand
Schurig – den flotten Ferdi, wie man ihn damals nannte – den wunderschönen
Abend verderben zu lassen. Ohne zu antworten, schwenkte er das Glas unter der
Nase und
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