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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Deutschland gehabt; noch immer hörten dort viele auf mein Wort, noch immer, trotz der Gefahr, ließen mir viele aus Deutschland Botschaft zukommen und wollten Rat. Ich glaubte, gerade während eines Krieges könnte ich den Feinden Hitlers von Nutzen sein.
    Des weiteren hielt mich schriftstellerische Neugier. Ich hatte es mir zeitlebens zum Grundsatz gemacht, Erlebnisse zwar nicht zu suchen, ihnen aber auch nicht aus dem Weg zu gehen. Dazu kam noch ein weiteres: ich wollte die Arbeit an meinem Roman »Exil« nicht durch eine umständliche Umsiedlung unterbrechen.
    Gleich zu Beginn des Krieges freilich war ich dann darüber belehrt worden, wie falsch ich es gemacht hatte. Nicht nur wollten die Franzosen von einer Mitarbeit von uns deutschen Antifaschisten nichts wissen, sie sperrten uns vielmehr schon damals alle ein. Mich hatten englische Proteste schon nach wenigen Tagen aus dem Konzentrationslager befreit, und die französische Regierung hatte sich damals bei mir entschuldigt und meine Internierung als einen Mißgriff subalterner Organe bezeichnet. Aber das Ausreisevisum, das ich nach dieser üblen Erfahrung verlangt hatte, war mir nicht bewilligt worden.
    Ich muß hier ein Bekenntnis einschalten oder eigentlich zwei Bekenntnisse.
    Erstes Bekenntnis. Wenn ich heute darüber nachdenke, was mich seinerzeit, im Jahre 1938, wohl in Frankreich zurückgehalten hat, dann waren es wahrscheinlich doch andere, tiefer in meinem Wesen liegende Gründe als die, von denen ich gerade sprach. Was mich hielt, war die innige Behaglichkeit des Lebens dort, die Schönheit des Ortes, mein wohleingerichtetes Haus, meine geliebte Bibliothek, der vertraute, in allem Kleinsten mir und meinen Methoden angepaßte Rahmen meiner Arbeit, die hundert Einzelheiten des dortigen Daseins, die mir zu lieben, schwer mißbaren Gewohnheiten geworden waren. Ich bin – ich glaube, ich sagte es schon – gegen meinen Willen immer wieder aus der Umgebung herausgerissen worden, die ich mit Liebe und Sorgfalt meinen Wünschen und Bedürfnissen gemäß gemodelt hatte. Immer wieder umgab ich mich mit Dingen, die ich gern hatte, immer wieder stellte ich einen sehr großen Schreibtisch vor einen Ausblick in eine schöne Landschaft, immer wieder stellte ich ein paar tausend Bücher um mich herum, immer wieder zog ich ein paar Katzen groß und glaubte, sie hingen nun gerade an mir, immer wieder schaffte ich mir zwei oder drei Schildkröten an und schaute ihren langsamen, urweltlichen Bewegungen zu, immer wieder legte ich mir ein paar Flaschen ausgesuchten Weines in einen kellerigen Raum. Und wiewohl mich immer wieder äußere Umstände zwangen, dieses mein mit soviel Mühe eingerichtetes Gehäuse zu verlassen, ich ließ mich nicht belehren. Immer von neuem baute ich es mir auf, immer von neuem klammerte ich mich daran, innerlich und äußerlich, und glaubte, diesmal müsse es mir erhalten bleiben. So war es wohl auch die Liebe zu meinem Haus in Sanary und zu allem, was darin und was darum war, die mich hielt. Mit andern Worten und ohne viel Umschweife, es war innere Trägheit, Hang zur Bequemlichkeit, Mangel an Phantasie. Zweites Bekenntnis. Ich habe eine große Scheu vor Behörden. Der Beamte ist der Vertreter des Staates, er repräsentiert viele Millionen: wie soll da ich, ein einzelner, gegen ihn aufkommen. Vielleicht ist diese Schüchternheit ein Erbteil aus der Zeit, da meine Vorväter in deutschen Ghettos vor den Behörden bangten. Wahrscheinlich haben auch Gründe solcher Art mitgespielt und mich verhindert, mich rechtzeitig um ein amerikanisches Einwanderungsvisum umzutun. Ich ließ es genug sein mit der Beschaffung eines Besuchervisums; die Beschaffung eines Einwanderungsvisums stellte ich mir übertrieben schwierig vor. Einmal, in Paris, nahm ich einen Anlauf, und als ich in der Nähe der amerikanischen Botschaft war, ging ich kühn hinein, Erkundigungen über die Modalitäten der Einholung eines solchen Einwanderungsvisums einzuziehen. Ich hatte Empfeh lungen an den Konsul, ich hatte auch gelegentlich den Botschafter in Gesellschaften getroffen, doch ein Gemisch aus Hochmut und Schüchternheit hielt mich davon ab, mich direkt an einen dieser Herren zu wenden. Ich ging vielmehr an einen anonymen Tisch, an dem »Information« stand, ein gleichgültiges Fräulein gab mir gleichgültig einen schnellen Bescheid, aus dem ich heraushörte, daß, wenn ich ein Einwanderungsvisum begehrte, mein Besuchervisum hinfällig werde. Im Grunde kam mir dieser Bescheid
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