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Der Teufel in der Weihnachtsnacht

Titel: Der Teufel in der Weihnachtsnacht
Autoren: Charles Lewinsky
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Unternehmen zu bieten hat. Aber wahrscheinlich haben Sie recht. Man sollte sich bei Kooperationen nicht allzu weit vom angestammten Produktemix entfernen. Das ist nicht gut für die Kundenbindung. Wenn sich allerdings eine verwandte Branche finden ließe, die …» Er kratzte sich nachdenklich mit einem gepflegten Fingernagel an der Stirne. Einen Moment lang sah es unwahrscheinlicherweise so aus, als ob dabei Funken sprühten. Dann schien der Teufel einen Einfall zu haben. «Wissen Sie was», sagte er, «warum begleiten Sie mich nicht einfach auf einen kleinen Ausflug? Ich möchte Ihnen gerne etwas zeigen.»
    «Unmöglich», protestierte der Papst. «Ich kann doch jetzt nicht weg! Es ist Weihnachten, und da werde ich hier dringend gebraucht!»
    Aber der Teufel, wie die Weltgeschichte lehrt, ist ein meisterhafter Überzeuger, und so saß der Papst plötzlich mit in dem roten Ferrari, und sie flogen – Wie kam’s? Wie ging’s? – hoch über die Dächer von Rom hinaus. Der Teufel bediente mit zwei Fingern – Waren es Finger? Waren es Krallen? – das Lenkrad und wies mit der andern Hand auf die zahllosen Kirchtürme, die das Stadtbild sprenkelten. «Totes Kapital», sagte er vorwurfsvoll und nahm einer Taube die Vorfahrt, «nichts als totes Kapital.»
    «Wo fliegen wir denn hin?»
    «Zu einer Premiere.» In einer scharfen Linkskurve (Teufel bevorzugen Linkskurven) bog er in eine Wolke ein, und als sie wieder daraus auftauchten, trug der Papst statt seines Pyjamas einen schneeweißen Smoking mit einer purpurfarbenen Rose am Revers. Zu seiner Überraschung war er davon überhaupt nicht überrascht. «Das Theater», dozierte der Teufel, während er dem Kapitän eines Jumbojets mit einem gewagtenÜberholmanöver einen höllischen Schrecken einjagte, «das Showbusiness ganz allgemein war doch schon immer eine verwandte Branche. Die große Show damals am Sinai – bis heute unübertroffen! Natürlich darf sich eine Firma mit dem Renommee der Ihren nicht auf zweitklassige Partner einlassen. Die besten sind gerade gut genug. Und ich habe die besten an der Hand. Sie werden sehen.» Der Teufel lächelte selbstgefällig und setzte zum Sturzflug an.
    Das alte Zentrum von Paris war weiträumig abgesperrt. Berittene Gardisten mit glänzenden Helmen hielten den Weg frei für die Limousinen, die sich aus allen Himmelsrichtungen den Weg zur Kathedrale bahnten. Atemlose Klatschreporter feierten Schnellsprechorgien beim Aufzählen der internationalen Prominenz. Eine Millionenerbin stieg, eine Menge Bein zeigend, aus einem Rolls-Royce, und ein früherer Boxweltmeister betonte vor einem Mikrofon nach dem andern, dass Kultur für ihn schon immer das Wichtigsteauf der Welt gewesen sei. Ein Friedensnobelpreisträger ging völlig unbeachtet an den Kameras vorbei, denn gleich hinter ihm erschien Miss World am Arm eines Erzbischofs.
    Und überall in Paris hingen die Plakate «Paradise Productions proudly presents DER GLÖCKNER VON NOTRE-DAM E zum ersten Mal am Originalschauplatz».
    «Die Möglichkeiten sind unerschöpflich», erklärte der Teufel stolz. «Nur schon der kirchliche Anteil an den Merchandising-Produkten deckt das Defizit einer mittleren Diözese. Wir rechnen damit, dass allein der Verkauf an Gummibuckeln …»
    «Gummi… was?»
    «Das perfekte Souvenir. Ein Rucksack in der Form eines Buckels. Damit sich jeder Besucher der Vorstellung selber als Glöckner von Notre-Dame fühlen kann. Ja, US C denkt an alles.»
    «Wer oder was ist US C ?»
    «Unser Kooperationspartner bei diesem Projekt. Die Firma von Andrew Lloyd Webber. USC steht für ‹Really Useful Company›. Eigentlich schade, dass der Name schon vergeben ist», fügte der Teufel nachdenklich hinzu. «Die ‹Wirklich Nützliche Gesellschaft› klingt irgendwie viel fetziger als einfach nur ‹Katholische Kirche›.»
    «Wir sollen in Notre-Dame Buckel als Souvenir verkaufen?»
    «Nicht nur Buckel natürlich. Auch T-Shirts und Aschenbecher und CD s und Schlüsselanhänger und …»
    Der Papst unterbrach ihn wütend. «Kennen Sie die Geschichte, wie der Herr die Händler und Wechsler aus dem Tempel jagte?»
    «Nein», sagte der Teufel, «kenne ich nicht. Klingt aber gut. Meinen Sie, dass das vielleicht ein Stoff für eine Nachfolgeproduktion sein könnte?»
    Bevor der Papst antworten konnte, war ein Fernsehreporter an die beiden herangetreten.«Für diejenigen jüngeren Zuschauer, die ihn vielleicht nicht mehr kennen», lächelte er in die Kamera, «der freundliche alte
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