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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen
Autoren: Friedrich Glauser
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Madonna, trug ihre Haare ungewöhnlich kurz, Herrenfrisur, Scheitel auf der Seite. Zu bemerken wäre noch, daß sie sehr geschmackvoll gekleidet war, roter ärmelloser Jumper, kurzer Rock, von einem raffinierten Braun, das ihre sonnverbrannte Hautfarbe gut zur Geltung brachte. Ihr Körper wirkte sehr weich; vielleicht war dies der Grund, daß sie es stets liebte, eine gewisse Härte in ihrem Verhalten hervorzukehren.
    »Jonny«, sagte sie – sie nannte ihren Freund, den Dr. Thévenoz, stets Jonny, obwohl er Jean hieß, und schon dieser Name brachte den Arzt in Harnisch – »wird uns der alte Herr noch lange warten lassen? Ich bin sicher, daß Ronny sich unten langweilt.«
    Ronny war Madges Airedalehund, und Ronny wartete unten im kleinen Amilcar-Zweisitzer, der Madge und ihren Freund – vermeiden wir lieber das Wort »Verlobter« oder »Bräutigam«, denn Madge haßte diese Worte – vom Spital zum Hôtel de Russie geführt hatte.
    »Nenn mich bloß nicht Jonny«, klagte Dr. Thévenoz, »ich will nichts mit England zu tun haben. Ich bin Genfer, ich bin Schweizer, du sollst mich Jean nennen, verstehst du?« Madge grinste wie ein Schulmädel. Sie hatte breite Zähne, was nach dem Urteil eines Frauenkenners ein Zeichen von Intelligenz sein soll. Ich kann darüber nicht urteilen.
    Sir Eric erschien. Er duftete nach Kölnisch Wasser und die Röte seines Gesichtes war mit Puder temperiert. Er war wirklich ein wohlgepflegter, alter Herr, noch nicht verfettet, sein glattes Gesicht lag in höflichen Falten, und er verneigte sich mit Würde. Sogar das Erstaunen über die Anwesenheit einer Dame (war nicht von zwei Ärzten die Rede gewesen?) hielt sich durchaus in den Grenzen des Anstands.
    »Dr. Thévenoz«, stellte sich der Arzt vor, und »eine Kollegin, Dr. Madge Lemoyne.« Madge neigte den Kopf, Seine Exzellenz beugte sich nieder zum Handkuß. Sir Eric hatte eine Schwäche für moderne Frauen, die sich gut anzogen.
    Madge überschüttete Seine Exzellenz mit einer Sturzflut englischer Erklärungen. Dr. Thévenoz stand ein wenig dumm daneben. Sir Eric hörte interessiert zu, dann wandte er sich an Thévenoz:
    »Ihre Kollegin erklärt mir soeben«, – Sir Erics Französisch war ein wenig mühsam – »daß mein Sekretär Crawley als Patient in Ihrer Behandlung steht. Er wurde gestern, so sagt Madame, auf der Place du Molard gefunden, unter… unter mysteriösen Umständen. Vergiftung, wie? Und nur einem Zufall haben wir es zu verdanken, daß er erkannt worden ist. Das heißt noch nicht definitiv erkannt…«
    »Die Sache ist folgende, Exzellenz«, sagte Dr. Thévenoz, und man sah ihm die Erleichterung an, daß er endlich sprechen durfte. »Frl. Lemoyne besucht Prof. Dominicé sehr oft, er war auch mein Lehrer, aber wir sehen uns nur selten, ich bin sehr beschäftigt. Spitaldienst ist anstrengender als Psychiatrie.«
    Thévenoz freute sich ersichtlich über seine Bosheit, aber sie verpuffte wirkungslos. »Nun, Prof. Dominicé hat sich heute morgen erinnert, daß er jenen jungen Mann, den er mir zur Behandlung überwiesen hat, eigentlich doch erkannt habe. Es sei der Sekretär Eurer Exzellenz, Crawley, der, wie mir Dr. Lemoyne mitteilte, häufig als Besuch im Hause des Professors gewesen ist. Da sich nun der Professor nicht ganz wohl fühlt, hat er Frl. Lemoyne gebeten, Eure Exzellenz aufzusuchen und Sie zu bitten, mit uns ins Spital zu kommen.«
    »Ich komme, natürlich komme ich sofort.« Sir Eric tat sehr aufgeregt. Er lief im Salon hin und her und ließ ein horngefaßtes Monokel an einem breiten, schwarzen Seidenband um seinen Zeigfinger rotieren.
    »Charles«, rief er plötzlich. Ein zweiter Ruf war unnötig. Schon stand der Kammerdiener in der Türe, verneigte sich und fragte:
    »Sir Eric?«
    »Sagen Sie, Charles, hat Crawley nicht gestern abend jenen… Vertragsentwurf mitgenommen… zum Abschreiben, wie er sagte. Sie, Charles, dieser Entwurf ist wichtig, unendlich wichtig, wenn der in… in… – doch das interessiert Sie nicht, hat er ihn mitgenommen?«
    »Herr Crawley trug eine Aktenmappe, jawohl, Sir. Er sagte, er wolle noch jemandem diktieren, es könne länger dauern. Ich hatte gestern abend zu tun, sonst wäre ich ihm gefolgt. Soll ich mich erkundigen?«
    »Nein, lassen Sie nur, ich werde sehen.«
    Sir Eric Bose war undiplomatisch aufgeregt. Madge und Thévenoz betrachteten ihn verwundert.
    »Das Auto, Charles, ich muß ins Spital! Crawley ist, scheint es, dort eingeliefert worden. Ich muß mich um ihn
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