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Der Tag der Rache. Private Berlin

Der Tag der Rache. Private Berlin

Titel: Der Tag der Rache. Private Berlin
Autoren: James Patterson , Mark Sullivan
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Alexanderplatz, den Fernsehturm und den erhöht liegenden Bahnhof nieder. Auf dem Platz allerdings war Tag und Nacht und bei jedem Wetter etwas los.
    Der Turm thronte über allem ebenso wie das Park Inn Hotel, ein Bau aus der kommunistischen Zeit, der nach dem Mauerfall aufgemotzt worden war. Hier waren die Westler bei ihren Besuchen in Ostberlin abgestiegen. Es hieß, im Park Inn Hotel seien mehr Wanzen angebracht worden als sonst wo auf der Erde.
    Mattie versuchte, sich Chris als Achtzehnjährigen vorzustellen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihren Exverlobten auf dem Platz zwischen dem Turm und dem Park Inn Hotel als einen von einer halben Million Demonstranten, die sich Anfang November 1989 hier versammelt hatten. Sie hatten sich nicht von den zahlreichen rund um den Alexanderplatz verteilten Stasi-Leuten abschrecken lassen, die an diesem Abend die Menge gefilmt und versucht hatten, sie einzuschüchtern und die Demonstration aufzulösen.
    Während ihrer zweijährigen Romanze hatte Chris ihr sehr wenig über seine Kindheit und Jugend erzählt. Sie wusste, dass er seine Eltern bei einem Autounfall verloren hatte, als er acht Jahre alt gewesen war, und er deswegen in einem Waisenhaus irgendwo südöstlich von Berlin aufgewachsen war.
    Doch Chris hatte ihr auch erzählt, er habe kurz nach Beginn der Aufstände mit einigen Freunden das Waisenhaus verlassen und sei nach Berlin gegangen, wo sie am Abend des größten Protests, als die Ostdeutschen der Welt gezeigt hatten, wie sehr sie nach Freiheit verlangten, auf dem Alexanderplatz gelandet seien.
    Chris hatte gesagt, er habe das Gefühl gehabt, sein wahres Leben hätte in jener Nacht begonnen, als die Mauer zu bröckeln begonnen hatte und nicht ganz fünf Tage später eingestürzt war. »I ch war zum ersten Mal im Leben frei«, hatte Chris gesagt. »W ir waren alle frei. Alle. Erinnerst du dich, Mattie, wie sich das anfühlte?«
    Im Auto neben Tom sitzend, hatte sie Chris’ Stimme im Ohr und erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen.
    Sie selbst hatte als 16-Jährige auf der Westseite von Checkpoint Charlie gestanden und mit ihrer Mutter gejubelt, gesungen und getanzt, als dort die Ostberliner durch die Mauer gebrochen und nach achtundzwanzig Jahren zum ersten Mal als freie Menschen in den Westen gekommen waren.
    Und das Gesicht ihrer Mutter, als deren Schwester in jener Nacht durch die Mauer gekommen war! Sie hatten vor Freude geweint. Dann verblasste in Matties Bilderwelt das tränennasse Gesicht ihrer Mutter und wurde zu dem von Chris, als er sie eines Morgens gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wolle.
    Sie bekam einen Kloß im Hals und musste sich anstrengen, vor Tom nicht zu weinen.
    Matties Telefon klingelte. Es war Ernst Gabriel. »G ute Nachrichten«, meldete er. »E r bewegt sich. Nicht viel, nur ein paar Meter hin und her, aber er bewegt sich.«
    »O h, Gott sei Dank!«, rief Mattie und sah Tom an. »E r lebt!«
    »N a, dann ist ja alles gut«, entgegnete Tom, schaltete einen Gang herunter und beschleunigte auf der Karl-Marx-Allee Richtung Osten.
    Matties Gedanken rasten, als die Plattenbauten rechts und links der Straße hinter ihrem Fenster verwischten.
    War Chris verletzt? Was trieb er in einem alten Schlachthaus? War es ein Fehler gewesen, die Sache zu beenden? Mein Fehler? Liebe ich ihn immer noch?
    »M ach dich nicht selbst fertig«, riss Tom sie aus ihren Gedanken.
    Mattie drehte sich zu ihm. »W eswegen?«
    »D ass du die Verlobung aufgelöst hast«, antwortete Tom.
    »L eichter gesagt, als angesichts der Umstände getan«, schoss Mattie zurück, verärgert darüber, dass sie offenbar so leicht zu durchschauen war.
    »H ast du Schluss gemacht oder er?«, drängte Tom.
    »D as geht dich nichts an«, fuhr sie ihm über den Mund.
    »I ch wette, du. Möchtest du erzählen, warum?«
    »N ein. Fahr einfach.«
    Tom zuckte mit den Schultern. »M anchmal hilft es, mit einem unbeteiligten Dritten zu sprechen.«
    »N icht immer«, entgegnete sie und blickte wieder aus dem Fenster.

6
    Als sie den Wald erreichten, den sie auf der Satellitenaufnahme gesehen hatten, war der Himmel mittlerweile aschgrau geworden. Sie fuhren um den Wald herum, der nur von Fahrradwegen durchzogen war, bis sie die von Kletterpflanzen fast erstickte Zufahrt zum alten Schlachthaus fanden. Regen wurde von heftigen Windböen aus dem Osten gegen die Scheiben gepeitscht.
    Tom hielt den Wagen in dem Moment an, in dem Matties Telefon klingelte. Es war Katharina.
    »W ir sind gerade
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