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Der Tag der Rache. Private Berlin

Der Tag der Rache. Private Berlin

Titel: Der Tag der Rache. Private Berlin
Autoren: James Patterson , Mark Sullivan
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Kompromisse einzugehen. Für ihn sei Chris der jüngere Bruder gewesen, den er nie gehabt hatte.
    Katharina Doruk erinnerte sich an Chris’ Glück, das er mit Mattie und Niklas erlebt hatte.
    Schließlich erhob sich Ilona Frei zitternd. »C hris starb, weil er versucht hatte, meine Schwester zu retten und die Kinder aus dem Waisenhaus 44 zu rächen. Ich werde ihn nie vergessen. Auch die anderen Waisen werde ich nicht vergessen, die durch Falk starben. So schrecklich es auch klingen mag, aber ich habe das Gefühl, durch sie wieder geheilt worden zu sein.«
    Die Letzte, die das Wort ergriff, war Mattie.

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    Eine Sekunde lang wusste Mattie nicht, ob sie es schaffen würde, doch ein Blick hinunter zu Niklas gab ihr die nötige Kraft.
    Sie erhob sich und erzählte, wie sie und Chris sich kennengelernt hatten. Sie brachte die Trauergäste zum Lachen, als sie beschrieb, wie er sie das erste Mal gebeten hatte, mit ihm auszugehen. Sie erzählte ihnen von ihrer Freude, als er um ihre Hand angehalten hatte, von der Leere, die sie stets in ihm gespürt hatte, von dem dunklen, leeren Teil in ihm.
    Sie sprach auch von der Reaktion der Öffentlichkeit, nachdem die Presse über alles berichtet hatte– über das Schlachthaus, die Leichen, die Waisen, die Morde und Falks Stasi-Vergangenheit.
    »Ü ber zwanzig Jahre sind seit dem Mauerfall vergangen, und viele haben das, was hier in Ostberlin geschah, noch nicht verwunden«, fuhr sie fort. »D ie Leute sagen, wir sollten vergessen, was die Geheimpolizei ihren Mitbürgern angetan hat. Sie sagen, wir sollten vergessen, welche Paranoia und Brutalität sie nach sich gezogen hat. Sie sagen, wir sollten vergessen, was Menschen wie Chris und Ilse und Ihnen, Ilona, angetan wurde. Wir sollten das hinter uns lassen, sagen sie. Nicht stehen bleiben.«
    Tränen traten in Matties Augen. »E s stimmt, wir sollten nicht stehen bleiben. Das Leben ist für die Lebenden. Aber wir können nicht vergessen, dass Menschen wie Matthias Falk existierten und in einer dunkleren Welt aufblühten, die wir erst vor zwei Jahrzehnten hinter uns gelassen haben. Und vor allem können wir die anständigen Menschen nicht vergessen, die Falk zerstört hat. Sie waren echt. Sie lachten und weinten und sorgten sich umeinander. Sie waren Kinder, Mütter, Väter, Brüder, Schwestern, Ehefrauen und… und Geliebte.«
    Kurz erzitterte Matties gesamter Körper unter dem Gefühl des Verlusts, bis sie mit einem bittersüßen Lächeln auf den alten Mann mit dem Krückstock zeigte.
    »B ei dieser Gelegenheit möchte ich euch August Wolf vorstellen«, fuhr sie fort. »S eit achtzehn Jahren ist Herr Wolf Professor für Literatur an der Universität Leipzig. Fünfzehn Jahre lang, bevor er diese Stelle antrat, wurde er immer wieder in Gefängnissen und Folterkammern misshandelt, und das wegen seiner Position, die er Mitte der Siebzigerjahre zur Geheimpolizei und zur Meinungsfreiheit bezog.«
    Mattie ging den Gang entlang und streckte die Hand aus. Der alte Mann ergriff sie und erhob sich mühsam. Mattie tätschelte seinen Arm. »D ieser Mann hier ist auch Chris’ Vater«, gab sie bekannt.
    Einen Moment lang herrschte erstaunte Stille.
    Bis Hauptkommissar Dietrich zu klatschen begann und sich die Kirchenbesucher ebenfalls klatschend erhoben.
    Chris’ Vater räusperte sich.
    »I ch dachte, Chris sei vor dreißig Jahren gemeinsam mit meiner Frau gestorben«, sagte er mit der sicheren Stimme eines Professors. »D as jedenfalls wurde mir erzählt, Unterlagen gab es keine. Zehn Jahre vor dem Mauerfall hatte ich mich mit meinem Verlust abgefunden.« Er schüttelte den Kopf. »U nd dann zu hören, dass Chris lebte und zu diesem anständigen Menschen heranwuchs?« Wieder schüttelte er den Kopf, Tränen rannen ihm über das Gesicht. »D as alles kann ich fast nicht ertragen. Als mich Frau Engel letzte Woche fand und mir alles erzählte, konnte ich ihr zunächst nicht glauben. Dann wurde ich wütend wegen der Tatsache, dass ich nicht nur einen achtjährigen Jungen verloren hatte, sondern auch den Mann, zu dem er geworden war.«
    Er seufzte. »A ber jetzt zu hören, wie Sie ihn beschreiben…« Er schluckte schwer. »E s war mir ein großer Trost, eine Linderung für meinen Seelenschmerz. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie all die Jahre seine Freunde waren. Ihnen aus tiefster Seele dafür danken, was Sie getan haben, um meinem Sohn zu helfen und seinen Tod zu rächen.«

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    Im Mittelgang der Gethsemane-Kirche legte Mattie ihre Arme um
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