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Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Titel: Der Südstern oder Das Land der Diamanten
Autoren: Jules Verne
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Vandergaart-Kopje. Diese verschiedenen, frei zu Tage und fast in gleicher Ebene mit dem Boden liegenden Minen, welche man unter dem Namen Dry-Diggings oder trockene Gruben zusammenfaßt, haben seit 1870 Diamanten und andere kostbare Steine im Werthe von etwa vierhundert Millionen geliefert. Sie liegen alle in einem Umkreise von höchstens zwei bis drei Kilometern, und von den Fenstern der Farm Watkins, welche davon nur vier englische 1 Meilen entfernt ist, konnte man sie mit dem Fernrohre schon recht deutlich erkennen.
    »Farm« erscheint hier übrigens als ein recht unpassendes Wort, denn auf diese Niederlassung angewendet, würde man in der Umgebung wenigstens vergeblich nach irgend welcher Cultur gesucht haben. Wie alle sogenannten Farmer in Südafrika war Mr. Watkins viel mehr Schäfer, d. h. Eigenthümer von Ochsen-, Ziegen-und Schafheerden, als wirklicher Leiter eines landwirthschaftlichen Betriebs.
    Mr. Watkins hatte inzwischen noch nicht auf die ebenso höfliche, wie bestimmt ausgesprochene Anfrage Cyprien Méré’s geantwortet. Nachdem er sich drei Minuten Zeit zur Ueberlegung gegönnt, kam er endlich dazu, die Pfeife aus dem Mundwinkel zu nehmen, und sprach den folgenden Satz aus, der offenbar mit dem Anliegen des jungen Mannes in sehr zweifelhafter Verbindung stand.
    »Ich glaube, die Witterung wird umschlagen, lieber Herr. Noch nie habe ich von meiner Gicht heftiger zu leiden gehabt, als seit heute Morgen!«
    Der junge Ingenieur runzelte die Augenbrauen, wandte einen Moment den Kopf ab und mußte sich wirklich zusammennehmen, um seine Enttäuschung nicht gar zu sehr merken zu lassen.
    »Sie würden gut thun, auf den Gin zu verzichten, Herr Watkins, antwortete er trocken, und zeigte dabei nach dem Steingutkrug, dessen Inhalt die wiederholten Angriffe des Trinkers schnell verminderten.
    – Auf den Gin verzichten? By Jove, da geben Sie mir einen schönen Rath! rief der Farmer. Hat der Gin schon jemals einem ehrlichen Mann Schaden gethan?… Ja, ich weiß schon, wo Sie hinaus wollen!… Sie denken mich mit dem Recepte zu beglücken, das einst einem Lordmayor verordnet wurde. Wie hieß doch gleich der betreffende Arzt? Abernethy glaube ich. »Wollen Sie sich wohl befinden, sagte dieser zu dem an Gicht leidenden Patienten, so leben Sie für einen Schilling täglich und verdienen Sie sich diesen durch körperliche Arbeit!« – Das ist ja ganz gut und schön! Aber bei dem Heile unseres alten England, wenn man, um gesund zu bleiben, für einen Schilling täglich leben sollte, wozu hätte man sich dann überhaupt ein Vermögen erworben? Solche Dummheiten sind eines Mannes von Geist, wie Sie, Herr Méré, unwürdig!… Bitte sprechen wir nicht mehr davon. Was mich angeht, halten Sie sich überzeugt, daß ich dann lieber gleich in die Grube fahren würde! Gut essen, tüchtig trinken, eine gute Pfeife rauchen, wenn mir die Lust dazu ankommt, eine andere Freude kenne ich auf der Welt nicht, und dieser wollen Sie mich noch berauben?
    – O, das lag mir gewiß gänzlich fern, erwiderte Cyprien offenherzig. Ich erinnerte Sie nur an eine gesundheitliche Vorschrift, welche mir richtig erschien. Doch schweigen wir von diesem Thema, wenn Sie es wünschen, Herr Watkins, und kommen wir lieber auf den eigentlichen Grund meines heutigen Besuches zurück.«
    So wortreich Mr. Watkins eben noch gewesen war, verfiel er jetzt doch sogleich in ein merkwürdiges Stillschweigen und blies stumm Rauchwolken in die Luft.
    Da öffnete sich die Thür. Mit einem Glase auf silbernem Präsentirteller trat eben ein junges Mädchen in’s Zimmer.
    Das hübsche Kind, der die große, auf den Farmen des Veld beliebte Haube ganz reizend stand, war mit einem einfachen, kleingeblumten Leinenkleide angethan. Neunzehn bis zwanzig Jahre alt, von sehr zartem Teint, mit schönem blonden sehr seinem Haar, großen blauen Augen und sanften aber heiteren Zügen, war sie ein Bild der Gesundheit, der Grazie und des frohen Lebensmuthes.
    »Guten Tag, Herr Méré, sagte sie auf Französisch, aber mit leichtem englischen Anklange.
    – Guten Tag, Fräulein Alice, antwortete Cyprien Méré, der sich bei dem Eintritte des jungen Mädchens erhoben und vor ihr verneigt hatte.
    – Ich hatte Sie kommen sehen, Herr Méré, fuhr Miß Watkins fort, wobei Sie unter liebenswürdigem Lächeln die schönen weißen Zähne sehen ließ, und da ich weiß, daß Sie den abscheulichen Gin meines Vaters nicht lieben, bringe ich Ihnen ein Glas Orangeade, mit dem Wunsche, daß es recht
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