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Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa
Autoren: Robert Louis Stevenson
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ich nicht einmal das Summen ihres Sprechens hörte. Die übrigen waren unbeweglich wie Bilder: Stumm und ernst starrten sie mich an mit ihren glänzenden Augen; und mir kam der Gedanke, es würde nicht viel anders sein, wenn ich unter einem Galgen stände und die guten Leutchen wären gekommen, mich hängen zu sehen.
    Ich fühlte, wie mir der Mut sank, und begann zu fürchten, man könnte mir das ansehen, und das durfte um keinen Preis sein. So sprang ich auf, tat, wie wenn ich mich streckte, ging die Verandatreppe hinunter und schlenderte auf den Fluß zu.
    Ein kurzes Summen ging von einem zum andern – wie man's im Theater hört, wenn der Vorhang aufgeht; und einige von denen, die am nächsten standen, traten etwas zurück, vielleicht um einen Schritt. Ich sah, wie ein Mädchen die eine Hand einem jungen Mann auf die Schulter legte und mit der andern aufwärts deutete; gleichzeitig sagte sie mit keuchender Stimme etwas auf kanakisch. Drei kleine Knaben saßen neben dem Fußsteig, auf dem ich in einer Entfernung von drei Fuß an ihnen vorbeikommen mußte. In ihre Decken eingewickelt, mit ihren rasierten Schädeln und den kleinen Kopfschleifen darauf und mit ihren komischen Gesichtern sahen sie aus wie Porzellanfiguren auf einem Kaminsims. Eine Weile blieben sie sitzen, feierlich wie Richter. Ich kam mit rüstigem Schritt, so fünf Meilen in der Stunde, wie ein Mann, der es eilig hat; und es schien mir, wie wenn ich in den drei Gesichtern ein Zucken sähe. Dann sprang einer auf – es war der, der am weitesten weg saß – und rannte zu seiner Mutti. Die beiden andern, die ihm nachlaufen wollten, stolperten, purzelten zu Boden, zappelten sich aus ihren Decken heraus, daß sie splitternackt waren, und im Nu rannten sie alle drei davon; wie wenn's ihr Leben gälte, und quiekten dabei wie Ferkel. Die Kanaken, die sich niemals einen Spaß entgehen lassen, war's auch bei einem Begräbnis, lachten laut auf – ein kurzes Lachen, wie ein Hundeblaff.
    Man sagt, der Mensch kriegt Angst, weil er allein ist. Unsinn! Was ihm Angst macht im Dunkeln oder im dichten Busch, ist, daß er nicht weiß, was los ist, und daß vielleicht eine ganze Armee in seiner unmittelbaren Nähe ist. Die ärgste Angst aber hat er, wenn er mitten in einem Menschenhaufen ist und keine Ahnung hat, was alle die Leute wollen. Als das Lachen plötzlich abbrach, blieb auch ich stehen. Die Jungen waren noch nicht bei ihren Leuten und galoppierten noch davon, da hatte ich mich schon umgedreht und segelte wieder zurück. Wie ein Narr war ich hinausgerannt, im Tempo von fünf Meilen in der Stunde; wie ein Narr ging ich wieder zurück. Es muß höchst lächerlich ausgesehen haben. Was mich aber geradezu verblüffte, war, daß diesmal kein Mensch lachte. Nur ein altes Weib stieß eine Art von frommem Stöhnen aus, wie sie es wohl von Erweckten gehört haben bei der Predigt in ihren Kapellen.
    »Niemals sah ich solche albernen Kanaken wie diese hier«, sagte ich zu Uma, die vom Fenster aus auf die Gaffer sah.
    »Weiß nichts von«, sagte Uma und schnitt dazu ein Gesicht, wie wenn die Leute sie anekelten.
    Und das war alles, was wir über die Sache miteinander sprachen; denn ich war ratlos, und Uma fand es offenbar selbstverständlich, so daß ich mich beinahe schämte.
    Den ganzen Tag über saßen die dummen Menschen am Westende meines Hauses und jenseits des Flusses; bald waren es weniger, bald mehr, aber den ganzen Tag lagen und standen sie und warteten auf irgend etwas; was das nun sein sollte, wußte ich nicht – wahrscheinlich auf Feuer, das vom Himmel fallen und mich mit Haut und Haaren und allen meinen Sachen verzehren sollte. Aber als der Abend kam, da war ihnen als richtigen Insulanern die Sache langweilig geworden, und sie gingen weg und tanzten im Gemeindehaus, und ich hörte sie singen und in die Hände klatschen bis vielleicht zehn Uhr nachts, und am nächsten Tage schienen sie rein vergessen zu haben, daß ich überhaupt vorhanden war. Wäre jetzt Feuer vom Himmel herabgefallen oder hätte die Erde sich aufgetan und mich verschlungen, so wäre kein Mensch dagewesen, den Spaß mitanzusehen oder die göttliche Lehre zu beherzigen oder wie man's nennen will. Ich sollte aber noch merken, daß sie mich nicht vergessen hatten und beständig danach ausspähten, ob mir nicht etwas zustieße.
    Ich war die beiden ersten Tage hart an der Arbeit, meine Waren in Ordnung zu bringen und den von Vigours hinterlassenen Bestand aufzunehmen. Dabei wurde ich halb
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