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Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Konkurrenz ist«, dachte ich bei mir selber, »sollte ich in Falesa gute Geschäfte machen.«
    Sie konnten mich nämlich bloß in
einer
Weise ausstechen: mit den Flinten und dem Schnaps.
    Im Hinterzimmer saß der alte Kapitän Randall; wie ein Eingeborener hockte er mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, fett und blaß, bis zum Gürtel nackt, grau wie ein Dachs, und die Augen ganz geschwollen vom Trinken. Sein Leib war mit dichtem grauem Haar bedeckt, und unzählige Fliegen krabbelten auf ihm herum; eine saß im Winkel seines Auges – er kümmerte sich nicht um sie; und die Moskitos summten um den Mann herum wie Bienen. Jeder reinlichkeitsliebende Mensch hätte das Geschöpf sofort hinausbefördert und begraben. Wie ich ihn so sah und dran denken mußte, daß er siebzig Jahre alt war und früher ein Schiff befehligt hatte und in seinen feinen Kleidern an Land gekommen war und in Schenken und Konsulaten das große Wort geführt hatte und auf Klubhaus-Veranden gesessen hatte, da wurde mir ganz übel und ich war sofort nüchtern.
    Er versuchte aufzustehen, als ich hineinkam, aber seine Bemühung war hoffnungslos; er reichte mir also bloß die Hand und stotterte irgendeine Begrüßung hervor.
    »Papa ist heute morgen hübsch voll«, bemerkte Case. »Wir haben eine Epidemie hier gehabt, und Kapitän Randall nimmt Gin als Prophylaktikum – nicht wahr, Papa? So ist es doch?«
    »Nie in meinem Leben hab' ich so was genommen!« rief der Kapitän entrüstet. »Gin nehme ich für meine Gesundheit, Herr Soundso – 's ist eine Vorsichtsmaßregel.«
    »Schon gut, Papa!« sagte Case. »Aber du wirst dich zusammenrappeln müssen. Hier soll 'ne Hochzeit sein – Herr Wiltshire hier wird verheiratet.«
    Der alte Mann fragte: »Mit wem?«
    »Mit Uma.«
    »Uma!« rief der Kapitän. »Wozu braucht er Uma? Ist er nicht seiner Gesundheit wegen hergekommen? Was zum Teufel braucht er Uma?«
    »Man sachte, Papa!« sagte Case.
»Du
sollst sie ja nicht heiraten. Ich denke, du bist ja nicht ihr Pate und ihre Patin. Ich denke, Herr Wiltshire tut, wozu er Lust hat.«
    Hierauf entschuldigte er sich bei mir, er müsse wegen der Heirat ausgehen, und ließ mich allein mit dem armen Kerl, der sein Teilhaber und – um die Wahrheit zu sagen – sein Opfer war. Geschäft und Haus gehörten Randall, Case und der Nigger waren Schmarotzer: Sie krabbelten auf ihm herum wie die Fliegen und mästeten sich an ihm; und er merkte nichts davon. Ich kann Billy Randall wirklich nichts nachsagen, als daß sein Anblick mir Übelkeit verursachte; aber die ganze Zeit, die ich an dem Tag in seiner Gesellschaft verbringen mußte, war mir schlecht zumute.
    Im Zimmer war es zum Ersticken heiß; dazu die Fliegen! Das Haus war schmutzig, eng und niedrig und stand an einem üblen Platz, hinter dem Dorf, dicht am Busch, und der Seewind konnte nicht heran. Die Betten der drei Männer waren auf den Dielen gemacht, mitten in einem Haufen von Pfannen und Schüsseln. Möbel waren nicht vorhanden; denn wenn Randall seine Wutanfälle kriegte, schlug und riß er alles kurz und klein. Da saß ich nun und aß etwas, das uns von Cases Frau aufgetischt wurde, und den ganzen Tag unterhielt mich die Ruine von einem Mann mit abgedroschenen alten Witzen und endlosen alten Geschichten, zu denen er fortwährend selber lachte, bis mir ganz jämmerlich zumute wurde. Dabei nippte er in einem fort an seinem Gin. Ab und zu schlief er ein, und dann wachte er wieder auf, winselte und schlotterte an allen Gliedern, und immer wieder fragte er mich, warum ich denn die Uma heiraten wollte.
    »Freundchen«, sagte ich den ganzen Tag zu mir selber, »so ein alter Herr wie der darfst du nicht werden.«
    Es mochte etwa vier Uhr nachmittags sein, da ging die Hintertür langsam auf, und eine seltsame alte Eingeborene kroch beinahe auf dem Bauch ins Haus herein. Sie war in ein schwarzes Zeug eingewickelt, das beinahe bis auf die Füße ging; ihre grauen Haare hingen ihr in Zotteln um den Kopf; ihr Gesicht war tätowiert, was auf der Insel sonst nicht üblich war; ihre großen Augen funkelten und blickten irr. Sie heftete sie mit einem Ausdruck auf mich, dem ich anmerkte, daß sie Komödie spielte. Sie sprach keine deutlichen Worte, sondern murmelte und schmatzte mit den Lippen und summte laut vor sich hin wie ein Kind über seinem Weihnachtskuchen. Sie ging durch das Zimmer gerade auf mich zu, und sobald sie bei mir war, ergriff sie meine Hand und schnurrte und spann wie eine große Katze. Dann brach sie in eine
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