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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei
Autoren: Leon Specht
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Adrenalin-Kick der letzten Nacht hatten sich zu einem Rest an Vorwärtsbewegung verdichtet. Jetzt oder nie, rief mir zwar leise, aber doch hörbar eine innere Stimme zu.
    Ich griff zu dem Zettel mit der Telefonnummer, die mir Dr. Bring gegeben hatte und drückte die Tasten meines Handys. „TPT Tim Personal Training“, hörte ich eine schwungvolle Stimme mit deutlichem amerikanischen Akzent, „sprechen Sie mit meiner Maschine nach dem Piep.“
    Ups, was sollte ich ihm sagen? Während ich noch überlegte, wohl etwas zu lange, hörte ich ihn erneut: „Thanks for calling. Bye, bye.“
    Er war wohl von der schnellen Truppe. Also wollte ich es erneut versuchen, nachdem ich mir meine Worte zurechtgelegt hatte.
    Plötzlich klingelte mein Telefon. Die Rufnummer blinkte, die ich gerade gewählt hatte. Ich drückte die grüne Taste. „Ja?“
    „Haben Sie mich gerade angerufen? Ich war nicht schnell genug. Das Handy war in meinem Trainingsanzug, und ich bin gerade in einer Einheit“, hörte ich seine Stimme, mit merkwürdigen Geräuschen untermalt, keuchend und viel zu laut in meinem Ohr.
    „Was machen Sie gerade?“ Die Frage lag mir einfach auf der Zunge.
    „Ich fahre gerade mit dem Rennrad eine Runde um die Wegscheide. Kurz vor dem Wirtshaus am Spessart. Meine Standardtour. Oben beim Landschulheim. Kennen Sie es?“
    Ein Freak. Telefoniert auf dem Rennrad. „Ja, hier ist Frau Röder. Ich wollte mit Ihnen sprechen, ich suche einen Personal Trainer.“ Ich sagte es viel zu laut.
    „Good! Woher kommen Sie?
    „Aus dem Jossgrund.“
    „Cool. Wo genau?“
    „Burgjoss.“
    „Funny. Soll ich bei Ihnen vorbeikommen? Dann würde ich meine Tour ein wenig ändern. Ich könnte in, sagen wir: 15 Minuten dort sein. Es geht ja fast nur noch bergab.“
    Verrückter Typ. „Nein, das geht jetzt nicht“, log ich ihn an. „Sie sind hier aus der Gegend? Ich habe nur Ihre Telefonnummer.“
    „Ja, mein Office ist in Bad Orb.“
    „Dann können wir uns in Bad Orb treffen? In einer Stunde?“
    „Das ist etwas zu früh. Ich fahre dann meine Standardrunde ab, am Golfplatz vorbei, und yippie, hinunter ins badische Dorf. Aber 10.00 Uhr wäre fein.“
    „Und wo?“
    „Kurparkstraße 13. TPT, yippie yeah.“
    Es klickte. Er hatte das Gespräch einfach beendet. Komischer Typ. Ich schaute unnötigerweise erneut auf die Uhr, obwohl ich doch wusste, wie spät es war.
    Weil ich es zu Hause nicht aushielt, beschloss ich, mich auf den Weg zu machen. In Bewegung kommen.
    Also bummelte ich, welch hochtrabendes Wort, durch Oberndorf. Ich hatte im Kopf immer eine Liste, welche Utensilien und Speisen im Haus zu ergänzen waren.
    Für Karl alle Cholesterin-Hämmer, für mich eher die Hemmer. Also den äußerst leckeren Fleischsalat vom Nahkauf, aus dem Nachbardorf geliefert und meist nach zwei Tagen bereits ausverkauft. Einige Käse- und Wurstsorten für Karl, vollfett im Jugendjargon, für mich die Joghurts, denn Abnehmen wurde nun zum Programm.
    „Guten Morgen, Frau Röder“, begrüßte mich die Anni. „So früh schon unterwegs heute?“
    Anni wusste immer alles. Sie hatte sich offensichtlich gemerkt, wann ich meine Einkäufe erledigte. Bisher immer am Nachmittag. Die Änderung in meinem Muster war ihr sofort aufgefallen.
    „Guten Morgen. Ja, ich bin heute früh dran. Ich muss noch nach Bad Orb.“
    Das war eine Formulierung, die für die normalen Jossgründer gut geeignet war, für Anni aber nicht, die es oft in weite Fernen zog. Sie runzelte ein wenig die Stirn, schaute mich aber dennoch freundlich an.
    Bad Orb war schließlich nur die kleine Tour, während Anni die absolut großen und außergewöhnlichen Weltreisen bevorzugte: Kreuzfahrt auf dem Nil, Cluburlaub in der Türkei, Safari in der Wüste Gobi. Sie kam immer strahlend und voller Erlebnisse aus ihren Urlauben zurück. Eine bewundernswerte Frau. Sie war in Bewegung. Ich musste erst in Bewegung kommen.
    Schnell kaufte ich alles Notwendige ein und bezahlte, noch einige freundliche Worte mit Anni wechselnd. Gegenüber in der Papier(S)insel holte ich noch einige Malsachen als Geschenk für Lisa, die in ihrer Freizeit Tiere zeichnete, und hob am Geldautomat der Sparkasse etwas Bargeld ab. Da der Fleischsalat in den Kühlschrank musste, fuhr ich noch schnell zu Hause vorbei. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich mich nun beeilen musste.

ENDORPHINE
    Punkt 10 Uhr drückte ich die Klingel.   TPT. Sein Office, wie er es nannte, war in einer alten herrschaftlichen Villa untergebracht.
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