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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei
Autoren: Leon Specht
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etwas im Busch war und ich ihm entglitt. Er knurrte.
    „Sitzen wir jetzt hier auch zu Hause nur noch in Joggingklamotten herum?“
    Es war besser zu schweigen.
    „Hat die Dame, die den Titel des Jossgrund Marathons als Schlagzeile in den Bad Orber Nachrichten erzielt hat, das Sprechen verlernt?“
    Also war schweigen wohl doch nicht richtig. Er schien mir meine Publicity zu neiden, was mich nicht wunderte.
    „Nein. Ich wollte heute Abend noch laufen.“
    „Laufen. Schweigen. Die Leute gegen mich aufbringen. Das ist wohl dein olympischer Dreikampf?“
    Die Situation war dabei zu eskalieren. Ich war aber vorbereitet.
    „Karl, ich war beim Friseur und habe eine interessante Information aufgeschnappt.“
    „Das mit dem Friseur habe ich schon gesehen. Gefällt mir gar nicht!“ Er stierte mich an. Diesen Tempowechsel und mein Selbstbewusstsein war er nicht gewohnt. Am liebsten hätte er mir die Haare vom Kopf gerissen. Damit war ihm aber auch nicht gedient. Also wartete er.
    „Das Grundstück zwischen dem Sportplatz in Oberndorf und dem letzten Haus in der Waldstraße könnte man kaufen.“
    Sein Auge wurde geschäftstüchtiger, aber nicht weniger böse. Also konnte ich weitermachen.
    „Und entweder mit einem riesengroßen Gewinn verkaufen oder etwas anderes daraus machen.“
    „Was?“
    „Nun, du wolltest doch eine Stiftung ins Leben rufen. Oder du könntest dort ein Sportzentrum bauen.“
    Seine Augen formten sich wie Eurozeichen: schmal, rund, gestrichen.
    „Den Bürgermeister hast du doch im Sack. Schon in der Schule hast du ihn als kleinen Buben vermöbelt.“ Das hatte er mir in früheren Zeiten mal erzählt.
    „Verkauft der Muthig?“
    Diese Frage zeigte ganz klar, dass man Karl nie unterschätzen durfte. In geschäftlichen Dingen bekam er alles mit. Wie eine Spinne, die genau wusste, welche Fliege sie demnächst in ihr Netz ziehen würde.
    „Genau das war die Information, die ich im Friseursalon aufschnappte. Er ist es leid, diese aus seiner Sicht so nutzlose Wiese immer wieder neu verpachten zu müssen.“
    Sein Grunzen wechselte in der Tönung von der persönlichen Aggressivität zum geschäftlichen Angriff.
    „Wir fahren jetzt hin und schauen uns das Gelände an. Ich war sehr lange nicht mehr dort. Du kommst mit.“
    Schon mittelschwer alkoholisiert, denn er hatte die Pizza mit einem für ihn eher ungewohnten schweren Rotwein hinuntergespült, nachdem er zuvor zwei seiner lebensnotwendigen Weizenbiere in sich hineingeschüttet hatte, fuhr er seinen Bentley aus der Garage. Dieses Fahrzeug hatte er nur deshalb gekauft, weil er es dem Apotheker nicht gönnte, hier im Jossgrund mit dem teuersten Fuhrpark aufzuwarten und sogar einem Morgan-Platz seinen Namen gegeben zu haben.
    Das schwere und leise Fahrzeug fuhr die enge Straße durch Oberndorf und nahm mehrere Kurven in Richtung Sportplatz, schließlich nach links in die Rabenbergstraße einbiegend. Oben angekommen konnte man gut parken und schaute auf das Dorf hinunter. Leicht schwankend stieg er aus.
    „Da unten. Links. Die Wiese.“ Ich sagte etwas völlig Unnötiges, wollte aber etwas sagen.
    Genau. Er nickte und hatte das sehr große Grundstück in seinem Kopf. Das nächste Haus war ein Holzhaus der Firma EPA. Herr Prasch hatte es gebaut.
    „Stimmt“, stimmte er mir zu. „Hier könnte man ein schönes Sportzentrum bauen. Nachdem wir die Chinesen in Bad Orb verhindert haben, ist es an der Zeit, im Jossgrund neue Zeichen zu setzen. Den Pipa krieg ich schon auf meine Seite.“
    Karl war Geschäftsmann durch und durch. Man merkte es an diesen wenigen Sätzen, wie schnell er die erforderlichen Schlüsse zog und die notwendigen Kombinationen durchrechnete.
    Aber ich war besser als er. Mein Plan hatte sich erst langsam herauskristallisiert. Anfangs nur sehr vage. Voller Angst. Nach und nach konkretisierte er sich. War es wirklich mein Plan? Nein, Dr. Bring hatte auf meine beiden Fragen eine ganz klare Antwort gegeben. Lisa hatte doch Recht gehabt. Lisa. Meine Retterin. Ich vermisste sie.
    Als ich Dr. Bring endlich richtig verstanden hatte, war mir klar geworden, dass dieser Plan jede Minute und jeden Meter bis hier und heute funktioniert hatte. Jetzt bogen wir gerade auf die Zielgerade ein. Ich zog den Spurt an.
    „Schade, eigentlich. Du wirst es nicht schaffen.“
    Ich riss ihn aus seiner Vision. Solche Worte war er von mir nicht gewohnt.
    „Was fällt dir ein?“
    Er wurde sofort wütend. Aber es reichte noch lange nicht.
    „Doch Karl,
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