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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler
Autoren: Becky Masterman
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welche Frau ich bin.
    Er sagte ihn nicht. Er sagte etwas anderes. Das Licht erlosch. Er kam nicht zu mir ins Bett, bevor ich einschlief, und am nächsten Morgen, als ich aufwachte, war seine Hälfte neben mir unberührt. Er hatte nicht bei mir geschlafen.
    Man kriegt nicht viel von dem, was man sich wünscht. Es ist erstaunlich, dass es überhaupt Glück gibt auf dieser Welt – wenn Glück bedeutet, dass man bekommt, was man will.

53.
    Der nächste Tag fühlte sich eigenartig normal an, nur dass alles länger dauerte als gewöhnlich, verlängert durch Höflichkeit. Ich rechnete damit, dass Carlo mir irgendwann den coup de grâce versetzen würde, doch ich hatte nicht vor, meinen Kopf freiwillig auf den Block zu legen. Er hatte mich am Abend zuvor verstört und unausgeglichen erlebt und war sich wahrscheinlich nicht sicher, wann und wie er mit mir reden konnte, doch ich würde ihm schon zeigen, dass ich zäh genug war, sein Schweigen zu ertragen. Es war so unglaublich traurig. Wir sahen einander kaum einmal in die Augen – zwei Menschen allein im gleichen Haus, was die Einsamkeit noch intensiver machte.
    Ich wusste, dass er meinen Anblick vom Abend zuvor niemals vergessen und dass dieses Bild alles überdecken würde, was zwischen uns war. Ich wusste, wie sich das anfühlte. Es gab eine Menge Bilder, die mich verfolgten.
    Morrison rief an, erkundigte sich, wie es mir ging, und versicherte sich, dass ich um neun Uhr vormittags am nächsten Tag ins Büro kommen würde. Er war sehr beflissen und klang ganz und gar nicht so, als würde er sich auf mich stürzen, weil ich Emery erschossen hatte. Er wirkte im Gegenteil nervös.
    Als Nächstes rief ich Gordo Ferguson an, dankte ihm für die Überwachung von Carlo und sagte ihm, dass ich ihn nicht mehr brauchte.
    Ich besuchte die NamUs-Website und fand die Kontaktinformationen für die Eltern von Kimberley Maple. Irgendjemand musste ihnen schließlich sagen, dass der Leichnam ihrer Tochter gefunden worden war und dass Cheri nicht mehr lebte. Wer sollte das tun, wenn nicht ich?
    Dann rief ich Max’ Frau Chrystal an. Sie nahm nicht ab – wahrscheinlich war sie im Krankenhaus. Ich hinterließ ihr eine Nachricht.
    Laura Coleman: kein Anruf für Laura. Obwohl ich deprimiert war und mir alle Kochen wehtaten, schleppte ich mich in den Wagen und fuhr hinunter in die Stadt. Laura lag im gleichen Krankenhaus, in dem ich am Tag zuvor Floyd Lynch besucht hatte.
    Als ich ihr Zimmer im ersten Stock betrat, war ihre ganze Familie versammelt, Mutter, Vater und ein älterer Bruder. Sie hatten sich um ihr Bett drapiert wie ein schützender Kordon. Ich wollte wieder gehen, doch Coleman erspähte mich in einer Lücke zwischen ihren Eltern und rief mich zu sich. Ich wurde als diejenige vorgestellt, die ihr das Leben gerettet hatte. In Ben Colemans Augen flackerte so etwas wie Wiedererkennen, doch Emily begrüßte mich wie eine Freundin. Lauras Bruder Willis, deutlich stabiler gebaut als der gertenschlanke Val, schloss mich in seine massigen Arme und dankte Gott.
    Ich sprach nicht darüber, wer wessen Leben gerettet hatte. Wir mussten uns über die Fakten einigen, bevor wir uns den unausweichlichen Vernehmungen stellten. Andererseits hatte sie irgendwie recht, schätze ich, denn sie war zwar diejenige, die Emery letzten Endes erschossen hatte, doch wäre ich nicht in seiner Bar aufgetaucht, wäre sie definitiv tot gewesen. So ist das mit der Wahrheit. Manchmal ist es ganz schön schwierig, sie zu erkennen.
    Coleman bat ihre Familie, uns für ein paar Minuten allein zu lassen, und sie zogen sich in die Cafeteria zurück, nachdem sie Laura noch mehr Küsse auf die Stirn gedrückt und mir noch einmal gedankt hatten.
    Ich bemerkte den Verband über Colemans Ohr, wo Emery ihr die Heftklammer ins Fleisch getackert hatte. »Meine Fresse«, sagte ich. »Sie sind vielleicht ein harter Brocken. Sind Ihre Sehnen schon genäht?«
    Sie nickte. »Ich werde heute Nachmittag entlassen. Der Doktor meint, es wird noch eine ganze Weile dauern, und ich brauchte jede Menge Therapie, aber ich würde wieder ganz die Alte. Abgesehen davon fühle ich mich dank dieses Schmerzmittels Percocet prima.«
    »Ah, gutes Zeug. Hat mir selbst mehr als einmal geholfen.«
    »Aber ich bin nicht allzu groggy. Erzählen Sie mir, was passiert ist und wie Sie mich gefunden haben.«
    Ich berichtete von meinem Misstrauen, als sie sich nicht mehr gemeldet hatte, und von meiner Suche nach ihr. Dass der einzige eindeutige Hinweis für
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