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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler
Autoren: Becky Masterman
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loswerden«, sagte ich. »Sie müssen raus hier, alle.« Also fing ich an, die Steine aufzusammeln und zu werfen. Ich sammelte einen kleinen Granitbrocken auf, durchzogen von Glimmer, und schleuderte ihn über den Zaun. Dann ein Stück Gneis. Dann etwas, das ich nicht benennen konnte – irgendein metamorphes Gestein. Es war nicht so, dass ich wütend gewesen wäre oder sauer oder eine dramatische Geste machen wollte – ich ging nur sehr methodisch zu Werke, um Jane ihr Haus wiederzugeben. Es schien mir eine gute Idee zu sein. Ich weiß nicht, wie lange ich so weitermachte oder wie viel von mir ich über den Zaun warf, bevor Carlo meinem Treiben Einhalt gebot.
    Er packte mein Handgelenk und entwand mir, was ich in den Fingern hielt. »Es gibt noch eine Menge Steine«, sagte er und ließ den Brocken zu Boden fallen. »Und es ist schon spät. Du kannst morgen weitermachen.«
    Ich gehorchte, ging zum Haus zurück und blieb beim Wasserschlauch stehen. Ich drehte den Hahn auf und wollte mich draußen abspritzen, doch Carlo führte mich ins Haus und geradewegs ins Badezimmer, wo er meine verdreckte Bluse aufknöpfte und die von Blut und Eingeweiden nasse, an der Haut klebende Jeans herunterzog. Ich ließ es geschehen und stützte mich lieber am Waschbecken ab, als seine Schulter zu berühren, während ich artig einen Fuß nach dem anderen hob. Er stellte mich unter die Dusche und drehte das Wasser an. Ich stand dort, und mein Gehirn versuchte mir klarzumachen, dass ich mich selbst waschen sollte, doch der Rest meines Körpers reagierte nicht. Dann öffnete sich die Tür zur Dusche, und Carlo kam zu mir herein. Er hatte sich ebenfalls ausgezogen.
    Ich weiß nicht, warum ich vor ihm zusammenzuckte.
    »Ich tue dir nichts«, sagte er mit Augen, die so glitzerten wie die Kacheln an den Wänden.
    Es war nichts Sexuelles am Akt des Waschens. Während ich den Blick gesenkt hielt, wusch er mich mit größter Behutsamkeit zwei- oder dreimal von oben bis unten, entsetzt von der Menge an Blut auf meinem Körper und doch einer inneren Verpflichtung gehorchend. Er rieb ganz sanft über die eintätowierte Rose auf meiner Brust, als sähe er sie zum ersten Mal und als hätte er Angst, er könnte sie verschmieren.
    Er neigte meinen Kopf gerade weit genug nach hinten, dass er mir die Haare waschen konnte, ohne Schaum und Schmutz in meine Augen zu spülen. Er war mit seiner Arbeit erst zufrieden, als er nach unten in die Duschtasse blickte und sah, dass das Wasser nicht mehr rosa gefärbt war.
    Er drehte das Wasser ab, öffnete die Tür und stieg nach draußen, um schnell mit einem großen Badetuch zurückzukehren. Er trocknete mich sorgfältig ab, während ich die unbekannte Frau im Spiegel über dem Waschbecken anstarrte. Carlo schien Stellen an meinen Knöcheln gefunden zu haben, wo Emery mir beim Lösen der Fesseln Schnittwunden mit dem Messer zugefügt hatte. Er ging, um Desinfektionsmittel und ein paar Wundpflaster aus dem Schrank unter dem Waschtisch zu holen, und versorgte die Schnitte. Carlo schien erst zu begreifen, wie verausgabt ich war, als meine Knie nachgaben. Er fing mich auf und hielt mich trotz meines schwachen Protests.
    »Die Nacht ist warm«, sagte er. »Es macht dir doch nichts aus, wenn deine Haare feucht bleiben?«
    Ich antwortete nicht. Ich ließ mich von ihm zum Bett dirigieren wie eine Puppe. Er hatte das Bett auf meiner Seite aufgeschlagen und half mir hinein. Dann ging er und kam mit einem Glas Wasser zurück. Er öffnete die Schublade, wo ich meine Medikamente aufbewahrte, und durchsuchte die Schachteln und Flaschen, als wäre es nicht das erste Mal.
    »Ich kann deine Schlaftabletten nicht finden«, sagte er.
    Es war nicht die Zeit für Lügen. »Ich habe sie mitgenommen und dort gelassen, wo ich war«, sagte ich und zitterte leicht, als ich das kühle Kissen an meinem nassen Kopf spürte. »Aber ich habe noch ein paar Valium in der obersten Schublade, in einer Aspirinflasche.«
    »Ich weiß.« Er legte mir eine Pille in die Hand und, als ich die Hand nicht senkte, eine zweite.
    Das Valium wirkte schnell. Carlo blickte mich noch einmal an, bevor er das Licht ausschaltete. In meiner letzten Erinnerung erwiderte ich seinen Blick, während ich das Satin von Janes Bettlaken unter meinen Fingerspitzen spürte und dachte: Sag meinen Namen. Nicht Honey oder Mata. Und vorzugsweise auch nicht Jane. Selbst wenn du jetzt bedauerst, mich geheiratet zu haben, bitte, sag meinen Namen, ein einziges Mal, damit ich weiß,
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