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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler
Autoren: Becky Masterman
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dem Daumen zu Carlos Volvo. »Machen Sie endlich, dass Sie von hier verschwinden. Auf der Stelle.«
    Kraftlos murmelte ich ein leises »Arschloch«, bevor ich mich abwandte und zu Carlos Wagen ging, wobei ich wankte wie eine Betrunkene. Carlo stieg aus und half mir wortlos auf den Beifahrersitz. Dann kehrte er hinter das Steuer zurück. Die Möpse hatten auf dem Rücksitz gelegen und versuchten nun mit Gewalt, über die Konsole zu kommen und sich in einen Schoß zu werfen, irgendeinen Schoß. Ich blockte sie mit dem Handtuch ab, das einer der Sanitäter mir gegeben hatte.
    »Ich hätte sie wohl besser nicht mitgebracht«, sagte Carlo und scheuchte die Hunde zurück. »Ich dachte … Ich weiß nicht, was ich dachte.«
    »Du hast richtig gedacht. Ich wollte nur nicht, dass sie das hier abkriegen.«
    »Alles in Ordnung?«, fragte er und meinte das Gleiche, was Morrison gemeint hatte.
    Ich bewegte vorsichtig die rechte Schulter, um die Rotatorenmanschette zu prüfen, die ich mir beim Schleifen des toten Obdachlosen ein wenig verrenkt hatte. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, einen Witz zu machen. »Klar. War ein harter Tag im Büro.«
    Carlo lächelte nicht. Er saß nur da und blickte zum ersten Mal auf mein wirkliches Ich. »Du gehörst ins Krankenhaus. Ich meine … ist das dein Blut?«
    Ich schaute an mir hinunter und sah das Blut aller möglichen Leute, nur mein eigenes war nicht darunter. »Nein. Und ich habe auch keinen Schock erlitten oder bin sonst wie verletzt, außer vielleicht an einem Gelenkknorpel.« Ich hörte, wie meine Stimme undeutlich wurde. »Mir ist nur ein bisschen schlecht vom Adrenalinentzug.«
    »Ich habe dich lange beobachtet, und es sah immer so aus, als hättest du dich unter Kontrolle, aber wenn du die geringsten Zweifel hast, sollten wir ins Krankenhaus fahren.«
    »Nicht heute Abend.«
    »Bist du sicher?«
    »Im Augenblick brauche ich nur eine gründliche Dusche und frische Sachen.«
    Wir fuhren vom Schotterparkplatz und auf die Straße nach Norden, in Richtung unseres Hauses. Ich saß schweigend neben ihm, und die grausigen Bilder der jüngsten Ereignisse liefen wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab, wie eine Vorschau kommender Attraktionen. Es war eine Fahrt von dreißig Kilometern bis zu dem Vorort in Catalina, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Ich kehrte erst wieder in die Gegenwart zurück, als Carlo den Wagen in die Garage lenkte und ich mir sagte, ich müsse jetzt aussteigen und ins Haus gehen, doch ich blieb einfach sitzen. Er kam zur Beifahrerseite und öffnete zuerst die hintere Tür, um die Hunde einen nach dem anderen herauszunehmen und auf den Boden zu setzen, weil es zum Springen zu hoch für sie war. Ich hatte vergessen, meinen Sicherheitsgurt anzulegen, und er schob die Hand unter meinen Ellbogen, um mir beim Aussteigen zu helfen, doch ich wich vor seiner Berührung zurück – also trat er zur Seite, und ich stieg ohne Hilfe aus dem Wagen.
    Dann taumelte ich durch die Tür ins Haus, wo die Möpse um mich herumtanzten und das Blut an meiner Hose beschnüffelten. Ich wollte das Haus nicht besudeln und ging weiter, ohne innezuhalten, durch das Wohnzimmer und zur Hintertür hinaus. Ich zog die Tür hinter mir zu, damit die Hunde mir nicht folgen konnten, und trat hinaus in die Tiefe des Gartens, der um diese Zeit von einem strahlenden Vollmond in silbernes Licht getaucht wurde.
    Manche Menschen waren nicht dafür gemacht, Beziehungen einzugehen. Unschuldige kommen zu Schaden, wenn sie es trotzdem versuchen. Ich hatte immer recht gehabt mit dieser Vermutung.
    Ich blickte auf die vielen Steine, die Carlo und ich gesammelt hatten und die von mir in mäandernden Linien im Garten ausgelegt worden waren wie ein Labyrinth. Durch irgendeine schreckliche Laune des Schicksals entdeckte ich mitten unter den Hunderten von Steinbrocken das Stück Rosenquarz, das mir an dem Tag in die Hände gefallen war, als ich Gerald Peasil getötet hatte. Ich hob es auf, holte aus und warf es, so weit ich konnte, über den Zaun am Ende des Grundstücks. Im Licht des Vollmonds sah ich, wie es in einer Kaktusfeige landete und eine der burgunderroten Früchte abriss.
    »Was machst du da?«, fragte Carlo hinter mir.
    Ich hatte nicht gehört, dass er mir nach draußen gefolgt war. Und es war mir inzwischen auch egal, ob er an meinem Verstand zweifelte. Es spielte keine Rolle mehr. Es war beinahe eine Erleichterung, dass ich nicht mehr so tun musste, als wäre ich normal.
    »Ich muss sie
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