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Der Stern des Untergangs

Titel: Der Stern des Untergangs
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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sich selbst einzureden, dass sie lediglich einer durch Erschöpfung hervorgerufenen Sinnestäuschung zum Opfer gefallen waren. Sie griffen nach den Stangen und setzten ihren beschwerlichen Weg fort, ihrem Meister bergab folgend, dem die im Nieselregen und Wind blakenden Fackeln durch den Wald leuchteten.
    Im Morgengrauen gelangte Meister Thotas mit seinen Leuten und dem Sternenstein in der Zikkurat an – müde, schmutzig, aber mit dem kostbaren Fund.
    Thotas zeigte wenig Interesse, als man ihm vom Angriff der Dorfbewohner erzählte. Er befahl ausgeruhten Männern aus dem Tempel, den Stern zu übernehmen. Keuchend unter der Last schleppten sie ihn die inneren Treppen und Korridore der Stufenpyramide empor, um ihn schließlich auf den alten Altar im hohen Tempel zu legen.
    Als er an seinem festen Platz war, schickte Thotas die Jungpriester aus dem Tempelraum. Sie schlossen die Tür hinter sich, und der Hohepriester blieb allein mit seinem Göttergeschenk zurück – seinem Geschenk, um das er und seine Vorgänger gebetet und um dessentwegen sie über Generationen hinweg Schwarze Magie gewirkt hatten …
    Das erste Grau des Morgens fiel durch die beiden Fenster des Tempelraums, und der Stein vom Himmel wirkte nun kühl, ja frostig. Thotas trat nicht näher heran, aber er betrachtete ihn in unverhohlenem Staunen. Er flüsterte zu ihm, sprach zu ihm – vielleicht auch zu sich selbst.
    »Lange, so lange haben wir auf dich gewartet«, murmelte er. »Und nun bist du von den finsteren Göttern zu mir gekommen. Du wirst mir große Macht bringen.«
    Er trat näher heran, verzückt von dem unheimlichen Glühen des Sterns. Schweiß brach ihm von der Stirn. Die Hände zitterten ihm, während er einen Schritt vorwärts tat, dann einen zweiten, bis er schließlich stehen blieb, um den Stein zu bewundern.
    »Macht von den finsteren Göttern!« wisperte Thotas. »Und bald wird alles mir gehören, alles!«
    Der Stern erbebte.
    Thotas keuchte erschrocken. Nun ließ der einfallende Sonnenschein den Stein greller aufleuchten. Und dann, erzitternd mit dem Licht, sprach der Stein:
    »Tor. Mit deinem irdischen Zauber hältst du mich jetzt gefangen, doch ich bedeute deinen Tod. Nicht freiwillig verleihe ich dir Macht. Ich bringe dir den Tod.«
    Thotas schrie auf und taumelte rückwärts. Er prallte gegen die Wand und stützte sich mit den Armen dagegen. Bestürzt weiteten sich seine Augen, er riss unwillkürlich den Mund auf, und das Leuchten des Steines blendete ihn schier.
    Der Stern hörte zu zittern auf und verlor ein wenig an Leuchtkraft. Thotas rannte auf ihn zu, legte beide Hände um ihn und schrie ihn an:
    »Sprich wieder! Sprich wieder!«
    Er erhielt keine Antwort. Heftig stieß der Zauberer den Stein, dann zog er an ihm und verlangte immer wieder: »Sprich doch! Sprich doch wieder!«
    An der Tür pochte es. Die wartenden Akoluthen hatten das aufgeregte Schreien ihres Meisters gehört.
    »Sprich wieder!« krächzte Thotas. Er hielt den Stein fest und spürte Wärme die Hände hinauf in Herz und Gehirn strömen. »Sprich – wieder …«
    Ohne die Hände vom Stein zu nehmen, sackte er, gegen den Altar gelehnt, zu Boden, während die Stimmen hinter der verschlossenen Tür, um seine Sicherheit besorgt, nach ihm riefen.
     
    Sechs Tage lang war es ruhig in der Steppe. Im Morgengrauen des siebten Tages nach dem vergeblichen Sturm auf die Zikkurat schafften Bo-ugan, die anderen Hetmane und ihre Krieger schwere Ausrüstung über den Fluss: Sturmleitern, Widder, einfache Belagerungstürme und Katapulte. Sie hatten sechs Tage damit verbracht, das Belagerungsgerät herzustellen. Einen halben Tag benötigten sie nun dazu, es über den Fluss und die Wiesen zu transportieren. Gegen Mittag war das kleine Heer zum Angriff auf die Zikkurat bereit.
    Bo-ugan hatte alles gut durchdacht und erkannt, dass ein Angriff von einer Seite seine Leute zu großer Gefahr aussetzen würde. So hatte er in der sechsten Nacht, vor dem Morgengrauen, zwei große Trupps ausgeschickt, um in einem weiten Bogen, einer nach links, der andere nach rechts, zu dem Berg hinter der Zikkurat vorzustoßen und ihn zu erklimmen. Von dort aus wollten sie beobachten, wie der Angriff von der Steppe aus verlief, und eingreifen, sobald die Aufmerksamkeit der Tempelleute auf das Heer in den Wiesen gerichtet war.
    Die Priester in der Zikkurat hatten den Anmarsch im Tagesucht von geschützter Höhe aus beobachtet und schüttelten die Köpfe angesichts dieser Narren. Sie hatten Thotas
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