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Der sterbende Detektiv - Roman

Der sterbende Detektiv - Roman

Titel: Der sterbende Detektiv - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Kopfschmerzen verschwanden, und er begann zu träumen.
    Lusterfüllte Träume. Träume, die mehr als nur Kopfschmerzen linderten. Träume über Eichhörnchen, die er als kleiner Junge geschossen hatte, als er noch bei seinen Eltern, bei Elina und Evert, auf dem Hof im nördlichen Ångermanland gewohnt hatte. Es hatte damit angefangen, dass sein Großonkel Gustaf bei ihnen in der Küche gesessen und über sein Rheuma geklagt hatte. Das Einzige, was dagegen helfe, sei eine Weste aus Eichhörnchenhäuten mit nach innen gekehrtem Fell.
    »Die kann ich dir besorgen, Onkel«, hatte Lars Martin Johansson gesagt, der auf einem Hocker neben der Brennholzkiste gesessen hatte und nur ein Drittel so groß gewesen war wie alle anderen im Raum.
    »Das ist aber nett von dir, Lars Martin«, hatte sein Großonkel geantwortet. »Du kannst mein Kleinkalibergewehr ausleihen, dann brauchst du dich nicht mit diesem Luftgewehr herumärgern, das du von deinem Vater zu Weihnachten bekommen hast.«
    »Ja«, hatte sein Papa Evert beigepflichtet. »Der Junge schießt so gut, dass es fast schon verboten ist. Dagegen ist
also nichts einzuwenden. Gib ihm dein Gewehr, dann besorgt er dir die Weste.«
     
    So hatte die Sache mit den Eichhörnchen begonnen, mit dem Angebot seines Großonkels und der Zustimmung von Papa Evert, und es sollten sechzig Jahre vergehen, bis er der Medizinerin und Neurologie-Dozentin Ulrika Stenholm begegnen würde, die diese Kindheitserinnerung wieder zum Leben erweckte. Ganze zweiundvierzig Jahre alt, obwohl sie nicht aussah, als sei sie einen Tag älter als vierzig.

6
Nacht zwischen Mittwoch, 7. Juli und Donnerstag, 8. Juli 2010
    Johansson träumte von allen Eichhörnchen, die er erledigt hatte. Von der Weste aus Eichhörnchenpelz, die er in einem knappen Jahr seinem Großonkel Gustaf zusammengeschossen hatte. Zwar hatte er mit Sommer- und Winterfellen etwas schummeln müssen, aber seine Mutter Elina, die sich als Kürschnerin betätigen musste, hatte gemeint, das spiele keine Rolle. Solange die Winterfelle den schmerzenden Rücken bedeckten, sei das kein Problem.
    Im ersten Jahr hatte er etwa fünfzig Eichhörnchen geschossen. Genau wie alle anderen Männer in seiner Familie war sein Großonkel um Brust und Rücken recht üppig bemessen, das eigentliche Erlegen hatte zusammengenommen weniger als eine Minute gedauert.
    Kleine, schwarz funkelnde Augen, Köpfe, die wippten und sich drehten, während sie zwischen den Föhren herumflitzten und die Stämme hoch- und runtereilten. Plötzlich hielten sie inne, ganz egal, ob der Kopf jetzt nach oben oder unten zeigte, sie beugten und drehten den Hals und betrachteten alles und alle, auch ihn. Neugierige, wache, wachsame Augen, klein und schwarz wie Pfefferkörner, und obwohl er sie bereits auf der Kimme hatte und gerade abdrücken wollte, saßen sie immer ganz still, den Kopf zur Seite geneigt. Dann
drückte er ab, hörte kaum das scharfe Knallen des Kleinkalibergewehrs, und ein weiteres Eichhörnchen hatte sein Leben gelassen.
    Wiederholte Male passierte es, dass sich seine Beute auf dem Weg nach unten in einem Ast verfing. Als kleiner Junge pflegte er sie dann mit einem Espen- oder Birkenschössling herunterzuholen. Als er älter wurde und fast so dicke Arme bekam wie sein ältester Bruder Evert, kletterte er den Stamm hinauf und holte sie mit der Hand herunter, problemlos. Und wenn die Kiefern im Winter gefroren und glatt waren und Schnee- und Eisflecken hatten, dann behalf er sich mit einem Stück Seil, das er um seine Taille und den Stamm band. Ein Mora-Messer in der Rechten gab zusätzlichen Halt.
    Eines Tages hatte er einfach damit aufgehört, sie zu töten. Diese kleinen Köpfe, die sich die ganze Zeit bewegten, die schwarzen Augen, die ihn selbst in dem Moment betrachteten, als er abdrückte. Sie schienen nicht zu begreifen, dass sie dem Tod ins Auge schauten, und musterten ihn mit derselben Neugier wie alles andere.
    Viel später im Leben, in einem anderen Leben, begegnete er Ulrika Stenholm, der Neurologin an der Karolinska-Universitätsklinik, mit kurzem, blondem Haar, faltenfreiem Hals und ohne Spuren eines braunen Pelzes oder buschigen Schwanzes. Sie wies nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Eichhörnchen auf, außer dieser Art, den Kopf zu bewegen, wenn sie ihn anschaute.
    Ungefähr da erwachte er. Er versuchte, den Arm von der Decke zu heben, aber es gelang ihm nicht. Er schlief immer noch, obwohl er selbst hellwach war. Durstig war er auch, doch als er
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