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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady
Autoren: Mary Jo Putney
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mir für ihn vorschwebt.«
    Lady Collingwood erwiderte etwas, doch das konnte Maxie nicht mehr verstehen.
    Aber auch so hatte sie mehr als genug gehört. Mit einem Gefühl akuter Übelkeit schlich sie in ihr Zimmer zurück, warf sich verzweifelt aufs Bett und versuchte, einen Sinn in das Gehörte zu bringen.
    Zunächst einmal machte es den Anschein, als sei ihr Vater keines natürlichen Todes gestorben. Wie war er ums Leben gekommen? Durch einen Unfall oder durch die Hand von Wegelagerern? Doch in beiden Fällen gäbe es keinen Grund zur Vertuschung. Könnte Max vielleicht im Bett einer Hure gestorben sein? Das war einerseits unvorstellbar und andererseits auch kein so großer Skandal, um derartige

    Geheimhaltungsmaßnahmen zu rechtfertigen.
    Die einzig plausible Erklärung schien ihr die zu sein, daß ihr Vater ermordet worden war. Aber warum sollte jemand den charmanten, völlig harmlosen Max umbringen wollen? Die gängigen Mordmotive waren Geldgier oder Leidenschaft. Da Maximus Collins kaum einen Penny besaß, fiel Gewinnstreben als Motiv aus. Und tödliche Eifersucht kam ihr noch unwahrscheinlicher vor.
    Ihr Vater war nie ein besonderer Frauenheld gewesen und darüber hinaus schon so lange aus England fort, daß frühere Leidenschaften kaum noch lebendig gewesen sein dürften.
    Lady Collingwood hatte auch eine Erbschaft erwähnt. Maximus war von seinem Vater zwar enterbt worden, aber vielleicht hatte ihm ein entfernter Verwandter etwas hinterlassen, und er war getötet worden, um zu verhindern, daß er seine Ansprüche geltend machte. Und falls das so war, befand sich nun auch Maxie als seine Erbin in Gefahr?
    Ungläubig schüttelte Maxie bei diesem Gedanken den Kopf. Solche Dinge ereigneten sich nur in Romanen, nie im wirklichen Leben.
    Könnte sich Max auf unlautere Weise Geld beschafft haben und deswegen ermordet worden sein? Am Abend vor ihrer Abreise nach London hatte er aufgeräumt erklärt, ihre finanziellen Sorgen würden bald ein Ende finden. Seine geliebte Tochter wäre bald eine Lady und bekäme das gute Leben und den prachtvollen Ehemann, den sie verdiente. Aber so etwas hatte er schon häufiger verkündet, und es war von Maxie mit einem Lachen und der Feststellung quittiert worden, sie sei mit ihrem jetzigen Leben durchaus zufrieden.
    Es war nur schwer vorstellbar, daß sich Max auf legitime Weise eine große Menge Geld beschafft haben könnte. Bedauerlicherweise war es eher vorstellbar, daß er zu illegitimen Methoden gegriffen hatte. Sie liebte ihren Vater aufrichtig, war sich aber auch seiner Schwächen bewußt.
    Vielleicht besaß er skandalöse Informationen über einen alten Schulfreund und hatte damit gedroht, diese zu enthüllen. Vielleicht war es einem so Erpreßten einfacher erschienen, den Erpresser umzubringen als zu zahlen. Das wäre kein allzu großes Risiko gewesen, denn niemand würde einen mittellosen Gauner vermissen.
    Bis auf seine Tochter natürlich.
    Aber wen könnte ihr Vater erpreßt haben? Seinen Bruder? Hinter Familiengeheimnisse kam man am einfachsten.
    Maxie ballte so fest die Fäuste, daß sich ihre Fingernägel in die Handflächen bohrten. Sie konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Lord Collingwood unter Umständen seinen Bruder getötet hatte. Vielleicht war der wenig vertrauenerweckend aussehende Mann aus London ein gedungener Mörder gewesen?
    Sie mußte Chanleigh noch heute verlassen, nachdem sich die Familie zur Ruhe begeben hatte.
    Aber sie würde nicht brav nach Boston zurückkehren – jedenfalls nicht, bevor sie in London die Wahrheit über den Tod ihres Vaters herausgefunden hatte.

Kapitel 2
    SCHWEIGEND NAHMEN DIE Brüder das Frühstück ein, nur dann und wann raschelte eine Zeitungsseite. Die Nachrichten waren jedoch ebenso unergiebig wie etliche Tage alt, so daß der Marquis of Wolverhampton statt dessen lieber seinen Bruder über die Times hinweg musterte.
    In ihrer Kindheit hatte der fünfjährige Altersunterschied zwischen ihnen irgendwie hemmend gewirkt. Giles war stets der große Bruder gewesen. Er hatte gehofft, daß sie während der Wintermonate zu wirklichen Freunden würden.
    Das war nicht geschehen. An seinem ersten Abend auf Wolverhampton hatte Robin zwar einiges von sich preisgegeben, sich danach aber wieder in sich zurückgezogen. Er war der perfekte Gast, zu einer Unterhaltung jederzeit ebenso bereit wie zum Schweigen und den gelegentlichen Höflichkeitsbesuchen in der Nachbarschaft keineswegs abgeneigt. Doch hinter der Fassade
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