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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady
Autoren: Mary Jo Putney
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geworden, daß er befürchtete, Robin könnte kurz vor einem Zusammenbruch stehen.
    Giles wünschte, er könnte dagegen etwas unternehmen, machte sich aber bewußt, daß ihm nicht einmal eine geeignete Frage einfiel. »Mir ist bewußt, daß das ein wenig verfrüht ist, aber hast du schon irgendwelche Zukunftspläne?« fragte er statt dessen.
    »Willst du mich schon wieder loswerden?« Robins lächelte müde.
    »Ganz und gar nicht, aber ich befürchte, du könntest Yorkshire nach all deinen Abenteuern ziemlich langweilig finden.«
    Der jüngere Mann lehnte den goldblonden Kopf zurück. Im flackernden Licht der Kerzen wirkte er so fragil, als gehöre er nicht zu dieser Welt.
    »Wenn du mich fragst, finde ich Abenteuer in höchstem Maße ermüdend. Von der damit verbundenen Gefahr und den Unbequemlichkeiten ganz zu schweigen.«
    »Bereust du, was du getan hast?«
    »Nein, es war notwendig.« Robins Finger trommelten ein Stakkato auf die Lehne des Sessels. »Aber ich habe nicht vor, die zweite Hälfte meines Lebens so zu verbringen wie die erste.«
    »Du bist in der Lage, alles tun zu können, was du dir wünschst. Du kannst dich wissenschaftlich betätigen, sportlich, politisch… Das sind Freiheiten, von denen die meisten Menschen nur träumen können.«
    »Ja«, seufzte sein Bruder und schloß die Augen.
    »Aber Freiheit ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, was ich möchte…«
    Nach einem unbehaglichen Schweigen sagte Giles: »Da du dich auf dem Kontinent aufhieltest und die Nachrichtenverbindungen mehr als kümmerlich waren, konnte ich dich nicht rechtzeitig davon in Kenntnis setzen. Vater hat dir Ruxton hinterlassen.«
    »Was?« Robin öffnete die Augen wieder. »Und ich glaubte, von Glück reden zu können, wenn ich mit ein paar Pennies abgefunden werde. Ruxton ist nach Wolverhampton der wertvollste Familienbesitz. Warum um alles in der Welt hat er es mir vermacht?«
    »Er bewunderte dich, weil er dich nie zu etwas zwingen konnte, was du nicht wolltest.«
    »Er hat mich bewundert? Aber dann hatte er eine verdammt merkwürdige Art, das zu zeigen. Wir konnten uns doch keine zehn Minuten in einem Raum aufhalten, ohne daß es zum Streit kam –
    und das lag nicht immer an mir.«
    »Dennoch warst du es, mit dem Vater bei seinen Freunden geprahlt hat.« Giles lächelte leicht ironisch. »Immer wieder beklagte er meine Dünnblütigkeit und bedauerte, einen so steifleinenen Erben zu haben.«
    Robin runzelte die Stirn. »Ich habe deine unendliche Geduld mit dem alten Brummbär nie ganz begreifen können.«
    Giles zuckte mit den Schultern. »Ich war geduldig, weil ich sonst Wolverhampton hätte verlassen müssen. Und das würde ich nie tun –
    wie sehr ich auch provoziert werde.«
    Robin fluchte unterdrückt, stand auf und trat an den Kamin, um in den Holzscheiten zu stochern.
    Nach dem Studium in Oxford hatte Giles die schwere Aufgabe übernommen, die Besitztümer der Andrevilles zu verwalten. Er war stets der Verläßliche gewesen und hatte die harte Arbeit ohne Aussicht auf Anerkennung oder gar Dank klaglos geleistet. »Typisch für Vater, dich auch noch zu beleidigen, obwohl du ihm das Leben unendlich erleichtert hast.«
    »Das war keine Beleidigung«, stellte Giles ruhig fest. »Ich weiß, ich bin ein langweiliger Mensch.
    Ich finde die Landwirtschaft faszinierender als die Jagd, das Leben auf dem Lande wesentlich interessanter als das in London und ziehe das Lesen von Büchern dem Klatsch vor. Vater muß eine gewisse Befriedigung aus der Erkenntnis gezogen haben, daß sein Erbe verläßlich ist, aber das heißt noch lange nicht, daß er mich besonders gern hatte.«
    Robin fragte sich, ob diese Einsichten schmerzlich für Giles waren. Laut konnte er die Frage nicht stellen. Ihre Beziehung hatte klar definierte Grenzen. »Die Menschen sind wegen ihrer Persönlichkeit interessant, nicht wegen ihrer Betätigungen. Du bist noch nie langweilig gewesen.«
    Giles wechselte das Thema. »Ich könnte mir vorstellen, daß du Ruxton einen Besuch abstatten möchtest. Ich habe mich ein wenig darum gekümmert, und der Besitz entwickelt sich ganz gut.«

    »Vielen Dank.« Robin sah zu, wie ein Holzscheit knisternd in sich zusammenbrach und einen Funkenschwarm in den Kamin hinauf schickte.
    »Mit Ruxton und der Erbschaft von Onkel Rawlson habe ich mehr Geld als ich brauche.«
    »Heirate. Ehefrauen verstehen es ganz vorzüglich, Geld wieder loszuwerden.« Zum erstenmal klang Bitterkeit in Giles’ Stimme an. Nach einer kurzen Pause fuhr
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