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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Autoren: Amanda Howells
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wir durch das geöffnete Tor und die Kiesauffahrt hinauf nach Wind Song fuhren, dem Anwesen von Tante Kathleen und Onkel Rufus Drexel in Southampton. »Wir sind da!«
    Noch bevor Papa angehalten hatte, war ich hinausgesprungen und rannte über das weiche grüne Gras. Meine Tante und mein Onkel winkten uns von der vorderen Veranda aus zu. Corinne und Beth lagen am Pool.
    Ich stürzte auf meine Cousinen zu, und meine Schritte fühlten sich an wie ein Countdown. Wir würden die vergangenen Jahre im Nu wieder aufholen. Corinne und ich waren ein Herz und eine Seele und liebten nichts mehr, als barfuß zu laufen und am Strand zu sein. Dabei waren wir sehr gegensätzlich: mager und kräftig, laut und leise, und doch wie Pech und Schwefel. So war es seit jeher gewesen, und in diesem Sommer würde es nicht anders sein. In einer Nanosekunde würden wir wieder beste Freundinnen sein, als hätten wir uns gestern zum letzten Mal gesehen.
    So dachte ich jedenfalls. Corinne stützte sich auf ihren zarten braunen Unterarmen ab, lächelte mich träge und sonnentrunken an, hob ihre langfingrige Hand und winkte mir kurz zu. »Hi! Komm zu mir, damit ich dir einen Kuss geben kann. Ich habe mich gerade von Kopf bis Fuß mit Sonnenmilch eingerieben.«
    »Hi, Mia«, sagte Beth mit ihrer sanften, hohen, zarten Stimme. »Wir haben euch erst heute Abend erwartet.«
    »Hast du meine SMS nicht bekommen?«, fragte ich Corinne.
    »Beth und ich haben unsere Handys diesen Sommer eingemottet«, antwortete Corinne. »Ganz New York ruft quasi einmal pro Minute an.«
    »Wir haben es so satt, an dieses blöde Telefon gekettet zu sein«, ergänzte Beth. »Das ist völlig verrückt.«
    »Deswegen haben wir ein Abkommen getroffen«, fügte Corinne hinzu. »Wir entgiften unsere Zellen. Wir brauchen eine Pause von allen.«
    »Ach so«, sagte ich und spürte auf einmal das Gewicht meines Handys in der Hosentasche. Jetzt wusste ich, warum sich Corinne nicht gemeldet hatte. Ihre Pause von allen hatte mich eingeschlossen. »Ich, äh, sehe ziemlich mitgenommen aus«, sagte ich und quasselte über meine Verlegenheit hinweg, weil ich Nachrichten geschickt hatte, die keinen interessierten. »Im Auto war es kochend heiß. Ich brauche dringend eine Dusche.«
    »Beeil dich«, sagte Corinne, rückte ihren iPod zurecht und sah selbst alles andere als eilig aus.
    »Klar.« Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, obwohl eine Welle der Enttäuschung mich erfasste. Es lag nicht nur an der lauwarmen Begrüßung, sondern auch daran, dass Corinne und Beth, die sich nie vertragen hatten, auf einmal ein Herz und eine Seele zu sein schienen. Natürlich wollte ich nicht, dass sie sich dauernd stritten. Aber irgendwie irritierte es mich, dass sie plötzlich die besten Freundinnen waren.
    Früher war Beth immer das fünfte Rad am Wagen gewesen, weil sie zu affektiert und zimperlich für uns war, besonders für Corinne. Als ich Beth zum letzten Mal gesehen hatte, war sie fünfzehn gewesen und noch genauso wie als Kind – ängstlich darauf bedacht, sich nicht die Hände schmutzig zu machen, ständig ihr Haar bürstend und immer süß lächelnd, irgendwie selbstzufrieden, als hätte sie schon allein durch ihre Existenz auf diesem Planeten etwas Besonderes geleistet.
    Corinne dagegen war ein Hitzkopf. Ich war immer wie elektrisiert von ihrer wilden, impulsiven Art gewesen. Allein ihre Nähe bewirkte, dass ich mich lebendiger fühlte. Doch jetzt schien alles anders. Die beiden waren Ebenbilder – langbeinig, gebräunt, strahlend und … irgendwie … träge . Ich konnte es nicht genau benennen.
    Als ich mich von meinen Cousinen abwandte, war mir eines klar: Wenn irgendjemand in diesem Sommer das fünfte Rad am Wagen sein würde, dann ich.

    »Du bekommst diesmal dein eigenes Zimmer, Mimi«, sagte Tante Kathleen zu mir, nahm mich am Arm und führte mich den Flur im ersten Stock entlang. Ich lächelte, als sie mich bei dem Spitznamen nannte, den sie mir als kleines Kind gegeben hatte. »Corinne erwartet eine Freundin zu Besuch«, fügte sie hinzu. Ein eigenes Zimmer … Dabei hatte ich gehofft, dass Corinne und ich wie früher bis spät in die Nacht hinein quatschen würden. Doch nun würde ich mein eigenes Zimmer bekommen, ob ich wollte oder nicht. Nebenan würde Corinne sich ihres mit einer Freundin teilen. Einer Freundin, die sie mir gegenüber gar nicht erwähnt hatte.
    »Wow!«, rief ich und vergaß meine Bitterkeit, als wir mein Zimmer betraten. Dieses Zimmer hatte ich
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